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Olympisches Oval. Rund 4000 Sportler haben 1936 während der Spiele in Elstal gewohnt. Schon am ersten Ausstellungstag war das Interesse der Besucher groß. Foto: dapd/Klaus-Dietmar Gabbert

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Berlin: Der Dorf-Doktor

Der heute 104 Jahre alte Chef des Ärztestabes im Olympiaquartier von 1936 erinnert sich an Jesse Owens Zum 75-jährigen Jubiläum wurde eine Ausstellung zur Geschichte des Areals eröffnet

Elstal – Nach 75 Jahren fällt die Orientierung verständlicherweise nicht leicht. Doch mit jedem Schritt auf dem Gelände des Olympischen Dorfes der Spiele von 1936 in Elstal vor den Toren Berlins kommen Professor Alfred Koch immer mehr Details in den Sinn. „Die Turnhalle ist mir noch ein Begriff und auch das kleine Stadion“, sagt Koch, der als Ehrengast zum runden Jubiläum der Anlage eingeladen wurde und von hunderten Besuchern begrüßt wurde. 104 Jahre alt ist der rüstige Mann aus Münster, der 1936 in Elstal den Ärztestab zur Betreuung der 4000 männlichen Sportler aus 49 Nationen leitete.

Vor allem zwei Begebenheiten fallen dem bis heute begeisterten Golfspieler ein, wenn er nach Erlebnissen in der Sportleranlage und im 14 Kilometer entfernten Olympiastadion gefragt wird. „Jesse Owens war ein sehr feiner Mann“, sagt der Mann mit dem schütteren Haar, der als einer der wenigen lebenden Zeitzeugen der Wettbewerbe von 1936 gilt. „Ich musste den Amerikaner wegen einer Mittelohrentzündung behandeln, die er sich wohl während der kühlen Tage im damaligen Sommer in Berlin zugezogen hatte.“ Dank der verschriebenen Ohrentropfen und einer Rotlichtbehandlung sei er schnell wieder fit geworden. Nach der Entscheidung im Weitsprung, bei der der Superstar eine seiner vier Goldmedaillen gewonnen hatte, sei der Amerikaner noch im Stadion auf ihn zugekommen und habe sich bedankt.

Unvergessen sei ihm auch die Schlitzohrigkeit der indischen Hockeyspieler geblieben. „Die haben sich bei einem Testspiel 1:4 gegen die Deutschen geschlagen gegeben und jeder dachte wohl, dass sie im Finale gegen die Gastgeber keine Chance hätten. Doch die Inder gewannen zur großen Überraschung mit einem 8:1 die Goldmedaille.“ Alfred Koch konnte sich gut in die Gedankenwelt der Sportler hineinversetzen, war er doch selbst ein begeisterter Zehnkämpfer, bevor eine Verletzung seine Karriere stoppte. Dem Sport schreibt er seine gute körperliche und geistige Verfassung zu. Wenn nicht jedes Organ regelmäßig bewegt wird, verkümmert es, laute sein wichtigstes Rezept für sein langes Leben. Erst vor wenigen Tagen kam sein 25. Urenkel zur Welt.

So wie der einzige noch lebende Olympiaarzt vertieften sich viele Besucher am ersten Tag in die Ausstellung „Zwei Seiten einer Medaille“ in der früheren Turnhalle. „Die soll olympisches Grundwissen vermitteln“, sagte der Sporthistoriker Volker Kluge zur Eröffnung. Die im Wesentlichen von ihm konzipierte Schau beleuchtet anhand originaler Dokumente vor allem die Dimensionen der Spiele von 1936 und nicht zuletzt deren propagandistischen Missbrauch durch die Nationalsozialisten. Aber auch die die spätere militärische Nutzung des 54 Hektar großen Geländes durch die Wehrmacht und ab 1945 durch sowjetische Truppen kommt nicht zu kurz. Modelle vom Dorf mit seinen Unterkünften für die einzelnen Mannschaften und originale Sportleranzüge ergänzen die bis zum kommenden Wochenende geöffnete Schau.

Der Besucherandrang erfreute auch die „Stiftung für gesellschaftliches Engagement“ der Deutschen Kreditbank (DKB). „Als wir Ende 2005 das Gelände übernahmen, wollten wir vor allem Leben auf das geschichtsträchtige Areal bringen“, sagte Stiftungsvorstand Martin Honerla. „Das ist uns nicht zuletzt mit der jetzt wieder restaurierten Schwimmhalle gelungen.“ Für 2,3 Millionen Euro erhielt das 1993 bei einer Brandstiftung schwer beschädigte Gebäude wieder eine neue Außenhülle. Auch einige Sportlerunterkünfte – darunter das Haus „Meißen“, in dem Jesse Owens einst Quartier nahm – strahlen wieder wie einst. Nur das große Speisehaus der Nationen wartet immer noch auf eine sinnvolle Nutzung. Die Ausstellung ist bis zum 14. August täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Am 13. und 14. August stehen einstige olympische Disziplinen zum Mitmachen auf dem Programm, unter anderem Bergsteigen, Tauziehen, Steinstoßen und Springen aus dem Stand. Infos: www.dkb-stiftung.de

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