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Berlin: Der eine denkt, der andere lenkt

Die Berliner CDU diskutiert, ob der neue Fraktionschef Friedbert Pflüger auch die Parteiführung übernehmen soll Doch man fürchtet den Streit – und findet viele Gründe dafür, es bei der Doppelspitze mit Landeschef Ingo Schmitt zu belassen

Zu viel Macht kann gefährlich werden. Friedbert Pflüger, der neue CDU-Fraktionschef, lässt sich nicht gern daran erinnern, dass er eigentlich Landesvorsitzender werden wollte. Pflüger hat am gestrigen Freitag sein Amt als Parlamentarischer Staatssekretär aufgegeben und will sich nur noch um Berliner Politik kümmern. Doch über den Landesvorsitz mag er nicht sprechen. Das verbindet ihn mit den mächtigsten Kreischefs der CDU. Und auf die wäre er angewiesen, um sich in einem halben Jahr, beim nächsten Landesparteitag, anstelle von Ingo Schmitt an die Spitze der Berliner Union wählen zu lassen.

Dabei bewegt die Personalfrage die Partei. Wer einflussreiche Berliner Unionspolitiker nach einem Fraktions- und Landeschef Friedbert Pflüger fragt, hört Sätze wie „ich würde ihm sehr deutlich zuraten“ und „ich bin für Pflüger“. Um die Harmonie nicht zu stören, die seit Pflügers Antritt in Berlin die CDU warm durchweht, will allerdings kaum einer der Vormänner offen eine Personaldebatte beginnen. Nur Stefanie Vogelsang traut sich. Die Neuköllner Kreischefin möchte, dass Pflüger „turnusmäßig“ – beim nächsten Parteitag – „zum neuen Landesvorsitzenden gewählt wird“.

Das wäre ein seit langem nicht erprobtes Führungsmodell für die Berliner CDU: Pflüger als der starke Mann, der für einen neuen Anfang steht, der die Zeit der Personalquerelen und Kreischef-Streitereien beendet hat und der CDU ein liberales, großstädtisches Profil gibt, auf allen Ebenen der Politik, als Parteichef große Linien zieht, Personalpolitik macht und im Abgeordnetenhaus Opposition. Zuletzt hatte Eberhard Diepgen beide Ämter inne – 1989/90, in seiner kurzen Zeit in der Opposition. Danach regierte er wieder, Klaus Landowsky führte die Fraktion. In der Bundes-CDU hat Angela Merkel ihre Kanzlerschaft als Chefin auf allen Ebenen vorbereitet. In der Berliner SPD garantiert Michael Müller als Partei- und Fraktionschef ziemlich geräuschlose Arbeit.

Doch die starken Männer in der Berliner CDU, die Kreisvorsitzenden, reden kräftig gegen das Modell an. Michael Braun, Chef der Südwest-CDU und stellvertretender Fraktionsvorsitzender, spricht vom „Team-Gefühl“ in der Partei, das sich mit Pflügers Kandidatur eingestellt habe und fragt, warum Pflüger sich auch noch mit all dem Organisatorischen befassen soll, das der Landeschef zu erledigen hat. Eine Personalunion bringe nichts – „es wäre etwas anderes, wenn es Konkurrenzen gäbe“.

Tatsächlich hat Pflüger im Wahlkampf das Profil der Partei zu verändern versucht, während Ingo Schmitt sich still als Manager der Macht betätigte. Ganz offenbar funktioniert diese Arbeitsteilung: Einer denkt, der andere lenkt. Und weil es scheinbar so gut funktioniert, sehen andere Kreischefs „keinen Anlass für eine Debatte“. Ein anderer aus einem der starken Kreisverbände sagt über den Durst nach mehr Macht: „Wenn der Schluck zu groß ist, kann man sich daran verschlucken.“ Ein dritter findet, man müsse die Debatte „auf jeden Fall runtermoderieren“. Jetzt endlich seien Partei und Fraktion „gut aufgestellt“, und Pflüger könne nun „am Profil arbeiten“. Eins habe man gelernt in den vergangenen fünf Jahren: Nichts schade mehr beim Publikum, als „dass die Partei sich zerfleischt“.

Erst mal – darin sind sich alle Gegner der Personalunion einig – will man weitermachen wie bisher und findet dafür jede Menge Gründe: Schmitt habe nicht den Anspruch, die Partei zu prägen – er überlasse das gern Pflüger. Politik werde im Abgeordnetenhaus gemacht – Pflüger habe genug damit zu tun, inhaltlich zu führen. Der Parteivorsitz – das sei vor allem Organisation. Der stärkste Grund, den ein Kreischef für die Doppelspitze nennt, hat etwas von einer Drohung: „Es gibt keine bessere Garantie, dass die Partei ruhig bleibt, als Ingo Schmitt.“

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