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Schönefeld im August 2012. So sieht sie aus, die Flughafenbaustelle. 

© Weisflog

Der Einzelhandel und das BER-Terminchaos: „So kann man mit Menschen nicht umgehen“

Am Eröffnungstermin des BER hängt viel dran: Etliche Geschäftsleute leiden unter dem Planungschaos, viele haben Mitarbeiter entlassen müssen. Doch trotzdem ist die Nachfrage nach den Verkaufsräumen noch immer hoch.

Auch wenn es immer unklarer ist, wann der Großflughafen BER denn eröffnen wird, ist das Interesse des Einzelhandels nach wie vor ungebrochen, an diesem Standort vertreten zu sein und dort ein Geschäft zu eröffnen. „Mich erreichen immer wieder Anfragen“, sagt Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg (HBB). Der künftige Flughafen gelte weiterhin als Topadresse in der Region.

Bislang sei keiner der Einzelhändler abgesprungen und habe den Standort aufgegeben. Natürlich gebe es auch Geschäftsleute, für die eine erneute Verschiebung eine wirtschaftliche Belastung darstellt. Im Wirtschaftsausschuss des Brandenburger Landtags wurden die Folgen des BER-Debakels am Mittwoch ebenfalls debattiert. Wirtschaftsstaatssekretär Henning Heidemanns sagte vor dem Ausschuss allerdings, dass bisher kein Brandenburger Unternehmen durch das Terminchaos direkt in seiner Existenz betroffen ist.

Die Berliner Modemacherin Evelin Brandt, die am Flughafen einen Laden aufmachen wollte, erwartet jetzt jedoch klare Worte und Offenheit vom Flughafenbetreiber, denn die immer neuen Verzögerungen bringen ihre Firma in Bedrängnis. Dass der Termin erneut verschoben wurde, wundert sie nicht. Mit dem 17. März 2013 habe ohnehin kaum noch jemand gerechnet. Brandt muss ihren Worten nach schon sehr darauf achten, „ großen Schaden von uns abwenden zu können“.

Video: Der BER-Eröffnungstermin steht in den Sternen

Der neue Flughafenshop ist seit April eingerichtet, die Ware schon lange gekauft. Mehrere hunderttausend Euro hat Brandt in die Niederlassung investiert. Vier Frauen, die im Airport-Store arbeiten sollten, konnte sie nicht halten. Zwei hatten extra andere Stellen gekündigt, um bei ihr anzufangen. „Das finde ich menschlich dramatisch“, sagt Brandt.

Selbst für einen größeren Unternehmer wie den Gastronomen Josef Laggner, der in Schönefeld zwei Lutter-&-Wegner-Dependancen eröffnen will, ist es nicht einfach, schon eingestelltes Personal woanders unterzubringen. 15 von 30 Leuten habe er zwar erst einmal halten können. Aber wenn der Termin jetzt dermaßen ungewiss sei, wisse er nicht, was mit ihnen zum Ende des Jahres werden solle. Er nimmt den Flughafenplanern vor allem übel, dass sie im Mai nur vier Wochen vor der geplanten Eröffnung den Termin verschoben haben. „So kann man mit Menschen nicht umgehen“, sagt Laggner.

Verschiedene Einzelhändler verhandeln über Schadenersatz

Um die Firmen nicht mit der Frage alleine zu lassen, was sie mit ihrem jetzt nicht benötigten Personal machen sollen, hat der Handelsverband mit dem Hotel- und Gaststättenverband eine Internetplattform eingerichtet. „Dabei haben wir allerdings mehr Anfragen von Unternehmen, die Arbeitskräfte suchen“, sagt HBB-Hauptgeschäftsführer Busch-Petersen. Bei der Arbeitsagentur in Potsdam, zuständig für den Flughafen, kann man nicht beziffern, wie viele Arbeitnehmer sich arbeitslos melden mussten: „Darüber wird keine Statistik geführt“, sagt Sprecherin Clarissa Schmidt. Die Flughafenagentur, die für den neuen Airport die Arbeitsvermittlung übernimmt, wird trotz der weiteren Terminverschiebung jetzt Ende August neue Räume in dem neuen Berlin-Brandenburg Airport Center beziehen.

Bildergalerie: Reaktionen auf die neuerliche Verschiebung

Neben Gastronomen und Einzelhändlern spüren auch andere Dienstleister die Auswirkungen für ihr Geschäft. „Nichts brauchen wir dringender als Planungssicherheit“, sagt Karsten Schulze, einer der geschäftsführenden Gesellschafter des Busunternehmens Haru-Reisen. „Wir hängen vollkommen in der Luft.“ Das Spandauer Unternehmen hatte für mehr als 800 000 Euro drei spezielle Busse gekauft, um die Schnellbuslinie vom Steglitzer Kreisel zum neuen Großflughafen zu betreiben. So lange man keinen endgültigen Termin habe, könne man auch nicht entscheiden, was man mit den Investitionen machen soll, „ob wir die Busse auf den Markt bringen“.

Es sei schon beängstigend, dass bei einem solchen Milliarden-Projekt niemand in der Lage sei, einen verbindlichen Zeitplan zu nennen. Haru-Reisen verhandelt mit der Flughafen-Gesellschaft über einen Schadenersatz. „Wir sind in guten Gesprächen, haben aber noch nichts Handfestes“, sagt Schulze. Er hofft auf eine Lösung bis Ende des Monats. Die Mitarbeiter der Flughafengesellschaft seien zwar bemüht. Aber es sei schwierig, über eine Kompensation zu verhandeln, wenn man wegen des fehlenden Termins gar nicht genau wissen könne, wie hoch der entstandene Schaden letztlich sein werde.

Auch verschiedene Einzelhändler verhandeln über Schadenersatz. Allerdings gibt es in den Mietverträgen die Klausel, dass bei einer Verschiebung des Eröffnungstermins um bis zu 18 Monate keine Entschädigung gezahlt werden muss. Erschwerend kommt hinzu, dass nach Informationen des Tagesspiegels in den Verträgen in der Regel kein Eröffnungsdatum genannt wird. „Ab wann soll denn da eine 18-Monatsfrist berechnet werden?“, sagt ein Experte. (mit dapd)

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