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Berlin: Der erste Sonntag mit Bahn-Anschluss

Der Savignyplatz ist nach langen Bauarbeiten zu neuem Leben erwacht. Jeder neue Zug wirkt wie ein Vitaminstoß

Jens Radke sitzt beim Café vorm „Einstein“ und blinzelt zufrieden in die Sonne. „Hier stimmt alles“, sagt der Malermeister und Graphiker, und meint seinen „guten Kiez“, den Savignyplatz. Seit die S-Bahn zwischen den Stationen Zoo und Charlottenburg rollt, belebt sich der Platz wieder. Es sind auffallend mehr Leute unterwegs: Der erste Sonntag mit Bahn-Anschluss.

Vierzehn Monate war der Bahnhof verwaist, fast alle Restaurant- und Ladenbesitzer ringsum klagten über ein heftiges Umsatz-Minus. Die Bewohner hatten sich fast schon dran gewöhnt, dass es leerer um sie wurde. Nun wirkt es so, als sei jeder ankommende S-Bahnzug ein Vitaminstoß. Die Bahn schafft Konsumenten heran, die schlendern durch die Passage des Else-Ury- Bogens oder umrunden den Platz mit seinen sternförmig abgehenden Straßen. „Früher gab es hier nur den Zwiebelfisch und die Dicke Wirtin“, sagt Radke, der hier seit 30 Jahren wohnt. „Mit Reinhard Mey habe ich hier mal morgens nach einem Besuch im Zwiebelfisch auf der Wiese Gitarre gespielt“, erinnert sich das frühere Mitglied einer Rockband. Die Grünfläche ist später zu einem Staudengarten umgewandelt worden, „wunderschön gestaltet“, wie Anwohnerin Karin Gebert findet. Aber leider gebe es rundrum fast nur noch Gastronomie. Ihre Freundin Reinhild Paul, oft in München zu Gast, lobt die „Lebendigkeit“ des Platzes und die Geschäfte, „die es sonst nirgends gibt“. Etwa die Eisenwarenhandlung Adolph. Und es mache auch gar nichts, wenn an der Ecke mal Prostituierte stünden oder auf den Bänken mitunter Obdachlose säßen, in München würden die sofort an den Stadtrand gedrängt. Jetzt, wo die S-Bahn wieder rolle, gäbe es hier fast nichts zu verbessern. Die Atmosphäre sei einzigartig. Aber nicht nur Alteingesessene bedauern, dass viele Läden im S-Bahnbogen leer stehen. Lampen Arno zum Beispiel wird vermisst. Karin Gebert ist über die Geschäftsaufgabe besonders traurig. „Ich habe da gejobbt“.

Christian van Lessen

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