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Unter großem Medienandrang begann nun der Prozess gegen sechs 19- bis 24-Jährige.

© Reuters

Der Fall Jonny K.: Die schwierige Wahrheitssuche

Der 20-jährigen Jonny K. starb nach einer Prügelattacke am Alexanderplatz. Unter großem Medienandrang begann nun der Prozess gegen sechs 19- bis 24-Jährige. Sie gaben eine Beteiligung an einer Schlägerei zu, doch keiner will den Tod des Schülers verursacht haben.

Kein Platz auf den Zuhörerbänken blieb leer, als vor dem Berliner Landgericht der Prozess um die tödliche Prügelattacke auf den 20-jährigen Jonny K. begann. Sieben Monate nach der Gewaltorgie am Alexanderplatz sitzen seit Montag sechs Männer im Alter von 19 bis 24 Jahren auf der Anklagebank. Fünf von ihnen wurden aus der Haft vorgeführt. Alle sechs mutmaßlichen Schläger sagten aus. Sie bedauerten das tragische Geschehen, sie gaben ihre Beteiligung an der Schlägerei zu. Es gab gegenseitige Belastungen. Doch keiner will für die Gewalt verantwortlich sein, die zum Tod des Schülers nur Stunden nach der Tat führte.

„Ich habe ihn weder geschlagen noch getreten“, erklärte mit Onur U. der Zweitjüngste der Angeklagten über seinen Verteidiger. Er habe Jonny K. an frühen Morgen des 14. Oktober nicht einmal wahrgenommen. „Ich habe ihn nicht einmal gesehen.“ Onur U. war nach dem Angriff in die Türkei untergetaucht. Erst Anfang April hatte er sich den deutschen Behörden gestellt. Er gilt als treibende Kraft der Attacke. Vor den Richtern gab er zu, durch „etwas total Bescheuertes“ die Schlägerei ausgelöst zu haben. Er habe die Gruppe um Jonny K. gesehen und einen Stuhl angefasst, auf den diese gerade einen angetrunkenen Freund abgesetzt hatten. Er habe einen „Joke“ machen wollen. Es sei allerdings zu einer Auseinandersetzung mit einem anderen Freund von Jonny K. gekommen.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten Körperverletzung mit Todesfolge, gefährliche Körperverletzung und Beteiligung an einer Schlägerei vor. Als sich die beiden Personengruppen zufällig trafen, sei Onur U. „völlig grundlos“ zunächst durch mindestens einen Faustschlag gegen Jonny K. vorgegangen. „Hierdurch aufgestachelt“ hätten auch Bilal K., Osman A. sowie Melih Y. auf Opfer Jonny K. eingeprügelt und getreten, „so dass dieser wenig später zu Boden ging, mit dem Hinterkopf wuchtig auf dem Straßenpflaster aufschlug und mutmaßlich besinnungslos liegen blieb“, heißt es in der Anklage. Bilal K. habe dem am Boden Liegenden gegen den Kopf getreten.

Die Tritte, Schläge und der Sturz waren derart massiv, dass es zu tödlichen Hirnblutungen kam. Alle mutmaßlichen Täter beteuerten nun ihr Bedauern. Wie es zu dem Tod kam, wollen sie jedoch entweder nicht gesehen oder selbst nicht verschuldet haben. Der 24-jährige Bilal K., der durch andere Verdächtige belastet worden war, erklärte: „Melih hat auf den am Boden Liegenden eingetreten.“ Er selbst will Jonny K. lediglich gegen den Oberschenkel getreten haben. „Das war völlig irrsinnig, ich dachte, er wollte mich angreifen.“ Jonny K., der mit erhobenen Armen kam und schlichten wollte, sei durch ihn jedoch nicht zu Fall gebracht worden.

Auch Bilal K. war nach der Prügelattacke in die Türkei geflohen. „Es war ein großer Fehler“, sagte er. Der Tod des Jungen werde ihn sein Leben lang verfolgen. „Mein Verhalten macht mich fassungs- und sprachlos.“ So ähnlich formulierte es Hüseyin I., ein 21-Jähriger. Er ist einer von drei griechischen Cousins, die an der Schlägerei beteiligt waren. Ihre mutmaßlichen Komplizen stammen aus türkischen Familien. Nach Version von I. soll Bilal K. der Schuldige sein: „Nach Bilals Tritt fiel der Junge rückwärts auf den Boden. K. trat noch einmal, ich weiß nicht, ob er stampfte.“

Tod des Schülers nach Gewalt wie aus dem Nichts hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst. Die Wahrheitsfindung aber scheint schwierig. „Es ist ein relativ offener Fall“, sage Rechtsanwalt Roland Weber. Er vertritt die Schwester des Opfers, Tina K., die als Nebenklägerin auftritt. Die 28-Jährige engagiert sich seit dem Tod ihres Bruders gegen Gewalt. „Ich will, dass die Wahrheit rauskommt“, sagte die 28-Jährige nach dem ersten Prozesstag. Konzentriert hörte sie die Aussagen. „Ich finde es wahnsinnig, dass es ganz normale Jungs sind.“

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