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Berlin: Der Flohmarkt-Sound

Dem Boxhagener Platz bleiben die „Ohrbooten“ treu, obwohl sie jetzt einen Plattenvertrag haben. Aber auch andere Bands lieben den direkten Kontakt mit dem Publikum auf der Straße

Etwa dreißig Menschen haben sich an diesem Nachmittag um die vier Jungs mit Gitarre, Schlagzeug, Keyboard und Mikrofon auf dem Flohmarkt am Boxhagener Platz in Friedrichshain versammelt. Sänger Ben liefert sich gerade ein Wortgefecht mit Gitarrist Matze. Beide rappen abwechselnd ins Mikro, nehmen die Stichworte des anderen auf und geben sie dann an einen herbeigesprungenen Zuschauer in gelber Trainingsjacke weiter, der ebenfalls ein paar selbst erdachte Zeilen beisteuert. Zuschauer feuern die „Ohrbooten“ an. Kinder klatschen im Takt. Dann stimmt die Band ihren Hit an. „An alle Ladies“ wird schon seit einigen Wochen von den Radiostationen gespielt.

„Straßenmusik ist eine fantastische Möglichkeit für eine junge Band, vor Publikum aufzutreten“, sagt Matze. „Aber nur wenige nutzen das.“ Zu zweit haben er und Sänger Ben 1999 begonnen, auf öffentlichen Plätzen zu spielen. „Das ist die beste Übung für Live-Konzerte. Man hat direkten Kontakt zum Publikum und muss auf die Leute eingehen.“ Außerdem verdient die Band auf der Straße nicht schlecht. So entscheidet auch der Kontostand, ob die Ohrbooten auf dem Boxi stehen. Die Behörden zeigen sich moderat.

Seit die Ohrbooten einen Plattenvertrag beim Toten-Hosen-Label JKP haben, haben sie allerdings immer weniger Zeit für Auftritte auf dem Boxhagener Platz. Von der Plattenfirma entdeckt wurden sie aber nicht auf dem Flohmarkt. „Das wäre auch zu romantisch gewesen“, sagt Sänger Ben. Er kannte Campino, den Sänger der Toten Hosen, und gab ihm ein Demo-Band. Dem gefiel die Mischung aus Reggae und Ska mit deutschem Gesang und so nahm er die Berliner unter Vertrag.

Aus einer anderen Ecke klingt an diesem Sonntag die Musik von Rico Diessner, alias Rico Loop. Um den 36-Jährigen liegen etwa zehn Instrumente. Mit einem Rekorder nimmt er Bass, Gitarre und Schlagzeug auf, spielt sie ab und begleitet sich auf dieses Weise selbst. „Ich mache seit 14 Jahren Straßenmusik. Dabei habe ich so viele schöne Dinge erlebt, dass ich ein Buch darüber schreiben möchte“, sagt er. Eine ganze Lebensphilosophie rankt sich um die Musik von der Straße. „Man hat nichts zu verlieren, außer seine Angst“, sagt er.

Konkurrenz gibt es unter den Straßenkünstlern nicht. Im Gegenteil: Rico Loop und die Ohrbooten spielen gerne zusammen oder wechseln sich ab. „Manche sehen in Straßenmusikern verkappte Bettler. Aber wenn sie mitbekommen, dass man gute Musik macht, sind sie sehr dankbar.“ Loop kann inzwischen von seiner Musik leben. Inzwischen tritt auch er in Clubs auf. Trotzdem bleibt er dem Boxi treu. „Bei schönem Wetter ist das die beste Bühne der Welt.“

Die Ohrbooten „Spielbetrieb“ (JKP), seit gestern im Handel, www.ohrbooten.de, Infos zu Rico Loop unter www.ricoloop.de

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