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Berlin: Der Gesang der Schmetterlinge

Urania ehrte Sir Simon Rattle für seine Projekte

Am Dienstagabend war in der Urania zu besichtigen, wie man als Dank für eine Ehrung den Ehrenden einen erinnerungswürdigen Abend schenkt. Um 20 Uhr war der große Saal der Urania so voll mit Menschen, die vom Strickpulli bis zum großen Abendkleid so ziemlich alles trugen, was Kleiderschränke hergeben können, dass die Vorstandsvorsitzende, Jutta Semler, ganz gerührt war. Sir Simon Rattle sollte die Urania-Medaille 2007 „für außerordentliche Verdienste in der musikalischen Bildungsarbeit“ bekommen. Und Innenminister Wolfgang Schäuble, Kuratoriumsmitglied der Berliner Philharmoniker war als Laudator gekommen. Nicht gekommen war der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit, der diesen Part in den Vorjahren immer übernommen hatte. Die Sicherheitsvorkehrungen waren erstaunlich umfangreich. Sir Simon saß in der ersten Reihe und strahlte.

Der Festakt begann mit einem eindrucksvollen Film über die Entstehung von „Das Rheingold“, einem Projekt der Education-Abteilung der Philharmoniker mit Inhaftierten der Justizvollzugsanstalt Plötzensee. Wolfgang Schäuble nannte das Education Projekt „einen Meilenstein in der Musikkultur unseres Landes“, hob hervor, wie „Rhythm Is It“ eine „Horde Berliner Hauptschüler in eine disziplinierte Tanztruppe verwandelt hat, erwähnte in dem Zusammenhang die aus der Aufklärung kommende Auffassung, dass Musik die Seele am unmittelbarsten erreiche. Dass es zu Beethovens und Mozarts Zeiten undenkbar gewesen wäre, ein Konzertprogramm überwiegend aus 200 Jahre alten Kompositionen zu bestreiten, kam ebenso vor wie die Tatsache, dass Joseph Haydn bei der Komposition der Nationalhymne Teile eines kroatischen Volksliedes benutzt hat. Dies alles, um zu unterstreichen, wie wegweisend Rattles Engagement für die Musik ist und wie bahnbrechend sein Engagement für junge Menschen. Lang anhaltender Applaus. Medaillenüberreichung.

Erst letzte Woche hatte Rattle eine Goldene Kamera bekommen und schon mal trainieren können. Hier, wo traditionell Menschen zusammenkommen, die sich für die Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse an eine breitere Öffentlichkeit einsetzen, brachte der Dirigent den bei modernen Events unverzichtbaren Faktor „Emotion“ ins Spiel. Er erzählte von der Arbeit mit hörgeschädigten Kindern in England, wie er ihnen von seinem Haus am Park erzählte, wo morgens die Vögel zwitscherten. Ein Junge sagte dazu: „Wenn du taub wärst, wie wir, dann könntest du länger schlafen.“ Und ein anderer: „Jetzt hast du uns so schön den Gesang der Vögel beschrieben, Simon. Nun erzähl’ uns auch noch, wie die Schmetterlinge singen.“

Zum Abschluss spielten Mitglieder der Philharmoniker Streichquartette von Schubert und Dvorak, und der Geehrte lauschte mit einem Gesichtsausdruck, als entdecke er gerade in diesem Moment die Musik als größte Liebe seines Lebens.

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