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Berlin: Der goldene Schluss

Der Musiker Lüül hat ein Buch geschrieben über sein Leben und die Drogensucht

Als echter Rockmusiker hat man es schwer. Da ist Lutz Ulbrich extra von Ibiza nach Amsterdam geflogen, hat lange nach einem Dealer Ausschau gehalten, für viel Geld Heroin gekauft und das Zeug auf dem Rückflug im Gitarrenkoffer versteckt. Und dann, zu Hause beim Testen, die große Enttäuschung: Das war gar kein Heroin, das war Gips. Das Publikum schmunzelt, Ulbrich schaut von seinem Buch auf, guckt vergnügt in die Runde. „Ich musste das mit dem Heroin einfach vorlesen. So was interessiert die Leute doch immer.“

Der Mann, der da vorne auf der Bühne des Quasimodo in der Kantstraße sitzt und vorliest, sieht nicht aus wie ein Junkie: Frack, blaue Fliege, frisch gewaschenes Haar. Er war aber mal einer. Und Profimusiker, das ist er immer noch, jetzt schon seit fast 40 Jahren. Lutz Ulbrich heißt eigentlich „Lüül“, jedenfalls wenn es um Musik geht. In den 70ern hat er Gitarre in Berliner Progrockbands gespielt, in den 80ern war er solo Teil der Neuen Deutschen Welle, hatte mit „Morgens in der U-Bahn“ einen kleinen Hit. Inzwischen ist Lüül bei den „17 Hippies“ gelandet. Über sein Musikerleben hat der 53-Jährige nun ein Buch geschrieben („Lüül“, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, 19,90 Euro), und dass er ausgerechnet im Quasimodo daraus vorliest, hat seinen Grund: Hier hatte Lüül 1968 einen legendären Auftritt mit seiner ersten Band „Agitation Free“: Der Sänger rastete aus, begoss das Publikum mit Bier und verursachte einen Kurzschluss.

Viele fragen sich wahrscheinlich, warum er unbedingt ein Buch schreiben musste, sagt Lüül. Und hat schon die Antwort: „Ich glaube, das war Eitelkeit vornehmlich.“ Die Anekdote mit dem falschen Heroin ist nicht die einzige Drogengeschichte in Lüüls Buch: Er beschreibt, wie er mit seiner Lebensgefährtin Nico – der von Velvet Underground – experimentierte. Wie er sich mit seinen Kumpels Trips einschmiss. Wie er einmal David Bowie und Iggy Pop mit Kokain versorgte. Heute trinkt Lüül lieber stilles Wasser aus der Plastikflasche. Die Erkenntnis, dass das mit den Drogen keine gute Idee ist, kam ihm eines Tages in der Mensa der Technischen Universität. Da sah er einen übel zugerichteten Junkie und wusste: „So will ich nicht enden.“ Von heute auf morgen konnte er aber nicht aufhören, sonst wäre die Autobiographie vermutlich nicht 410 Seiten dick geworden. Im Buch verrät er auch, wie es ist, mit Johannes B. Kerner zu tanzen, warum er sich ständig mit Nico stritt – und warum sein Abbild im Wachsfigurenkabinett von Tokio steht. Diese Geschichten liest Lüül heute nicht. Nach 40 Minuten klappt er das Buch zu. Er will Musik machen, mit seinen Freunden aus früheren Bands. Nach Musik ist Lüül immer noch süchtig.

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