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Der Biber ist in Deutschland besonders streng geschützt. Lange Zeit galt er als so gut wie ausgerottet.

© Patrick Pleul/ dpa

„Der Hass auf Tiere ist erschreckend“: Der Tod eines Bibers beschäftigt die Polizei in Marzahn-Hellersdorf

Der Nabu hat Anzeige erstattet, nachdem ein Biber an der Wuhle tot aufgefunden wurde – offenbar erschlagen. Dabei ist das Tier dort sehr nützlich für die Natur.

Von Sandra Dassler

Man merkt Ansgar Poloczek die Bestürzung an. „Es ist so sinnlos - und einfach erschreckend, dass es auch hier in Berlin offenbar Menschen gibt, die Wut und Hass auf heimische Tiere empfinden und diese dann auch töten“, sagt der Artenschutzreferent beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu) Berlin.

Der hatte kürzlich in einer Pressemitteilung „nachdrücklich gefordert, dass die Berliner Kriminalpolizei der illegalen Tötung eines Biberweibchens an der Wuhle nachgeht“.

Das tote Tier war am 12. August von einer Joggerin entdeckt worden. Eine Obduktion am Berliner Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) hatte ergeben, dass der Biber mit einem stumpfen Gegenstand und großer Krafteinwirkung erschlagen wurde. Daraufhin hatte die zuständige Untere Naturschutzbehörde des Bezirks Marzahn-Hellersdorf eine Anzeige erstattet.

„Was sind Artenschutzgesetze wert, wenn man sie nicht durchsetzt?“ fragt Nabu-Geschäftsführerin Jutta Sandkühler: „Die Tötung eines Tieres, obendrein einer streng geschützten Art, darf nicht hingenommen werden!“

Der Biber kam erst in den letzten Jahrzehnten zurück nach Deutschland

Tatsächlich sind Biber nach europäischem und deutschem Recht besonders streng geschützt. Nachdem die bis zu 30 Kilogramm wiegenden Nagetiere im 19. und 20. Jahrhundert so gut wie ausgerottet waren, gelang ihnen in den letzten Jahrzehnten in Deutschland das Comeback, was viele Menschen als großen Erfolg des hiesigen Naturschutzes werten.

Seit 1994 sei der Biber auch in Berlin wieder heimisch, sagt Ansgar Poloczek: „Und obwohl sein Lebensraum durch Uferbebauung zunehmend eingeschränkt wird, gibt es hier inzwischen etwa 50 Reviere.“

In Marzahn-Hellersdorf leben die Biber allerdings noch nicht sehr lange. Tierfreunde vermuten, dass sie sich hier ansiedelten, weil ein Zaun wegen der Internationalen Gartenausstellung 2017 für längere Zeit Teile des Wuhletals und des Kienbergs abschirmte.

Das hat offensichtlich vielen Wildtieren ideale, weil ungestörte, Lebensbedingungen verschafft. Mit der Ruhe zog auch der Biber wieder ins Wuhletal. Doch obwohl er sich dort bereits nützlich gemacht und durch aufgeschüttete Dämme neue Feuchtgebiete geschaffen hat, ist er offensichtlich nicht allen Menschen willkommen.

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Biber fällen nun mal zur Nahrungsaufnahme und zum Aufstauen von Gewässern auch Bäume und verändern so das gewohnte Landschaftsbild. Gerade dadurch trage der Biber aber zur Strukturvielfalt in der Natur bei und fördere die Vogel-, Insekten und Fischfauna, heißt es in der Nabu-Pressemitteilung.

Biber wurde wohl nicht von „perversem Tierquäler“ getötet

Leider komme es immer wieder vor, dass Menschen geschützte Tiere aus egoistischen Motiven töten: „Ob das Biberweibchen einem Biberhasser oder schlicht einem perversen Tierquäler zum Opfer gefallen ist, bleibt bislang unklar“.

Von einem „perversen Tierquäler“ würde Gudrun Wibbelt wohl nicht sprechen - da hat die Fachtierärztin für Pathologie am IZW schon ganz andere Taten begutachten müssen. Obwohl es auch für sie immer wieder schockierend ist, was Menschen Tieren antun.

Gudrun Wibbelt hat den toten Biber untersucht und festgestellt, dass seine Wirbelsäule auf der Höhe des Schultergürtels an einer einzigen Stelle durchgebrochen war, was nur durch einen einzigen sehr kräftigen Stoß oder Schlag geschehen sein kann. „Anfangs hatte ich sogar vermutet, dass der Biber durch ein Bootskiel getroffen wurde“, sagt sie: „aber auf dem schmalen Graben, wo er lag, könnte nicht einmal ein Kanu fahren“.

Ein umgestürzter Baum scheide auch aus, der hätte sonst noch auf dem sofort bewegungsunfähigem Biber liegen müssen. Selbst ein Auto komme kaum in Frage - es sei denn, der Fahrer hätte das Tier nach dem Unfall bis zum Graben getragen und dort abgelegt. Da Gudrun Wibbelt vor einigen Jahren schon einmal einen Biber obduziert hat, der an einer ähnlichen Verletzung starb, ist sie ziemlich sicher, dass das Tier durch einen kräftigen Schlag mit dem Stiel einer Axt oder eines großen Hammers getötet wurde.

„Den Konflikt zwischen Mensch und Tier gibt es auch in Berlin“

Ähnliches komme leider immer mal wieder vor - auch mit Waschbären oder Füchsen. Ein Kollege von ihr obduziere zudem ab und an vergiftete Greifvögel. „Den Konflikt zwischen Mensch und Tier gibt es auch in Berlin“, sagt die Tierpathologin: „Abhilfe könnte da unter anderem eine intelligente Stadtplanung schaffen, die auch Naturräume erlaubt.“

Daran werde in Berlin bereits gearbeitet, sagt Derk Ehlert, der als Wildtier-Experte in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung im Bereich Naturschutz und Landschaftsplanung tätig ist. Gerade im Umgang mit Bibern habe man in den vergangenen Jahren viel dazu gelernt. Das beginne schon bei einem wirksamen Baumschutz, wie er etwa im Tiergarten oder im Schlosspark Charlottenburg durch das jeweilige Grünflächenamt praktiziert wird.

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Das sei bei der Vielzahl der Biber, die sich inzwischen in Berlin angesiedelt haben, auch notwendig. Ehlert geht von mindestens 100 Tieren aus, die inzwischen alle geeigneten Reviere in der Stadt besiedelt haben. „Wir merken das daran, dass sich Biber inzwischen auch an Orten aufhalten, die nicht so optimal für sie sind“, sagt er: „Etwa an Gräben, die kaum noch Wasser führen.“

Der fünfte tote Biber in Berlin dieses Jahr

Das bedeute aber auch, dass es gar keinen Sinn macht, Biber zu töten, um sie von bestimmten Orten zu vertreiben: „Sollte der Täter vom Wuhletal das im Sinn gehabt haben, wird er sein Ziel nicht erreichen, denn der nächste Biber kommt bestimmt“, sagt Ehlert. Zum Glück seien solche brutalen Übergriffe die absolute Ausnahme.

Die meisten Biber in Berlin sterben übrigens durch Autounfälle, manchmal werden sie auch von Hunden getötet. Das Weibchen von der Wuhle ist der fünfte Biber, der in diesem Jahr in der Hauptstadt tot aufgefunden wurde. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt zwölf Tiere.

In Brandenburg dürfen Biber in Ausnahmefällen getötet werden

Weitaus mehr Biber sterben jedes Jahr in Brandenburg auf unnatürliche Weise. Und manchmal auch ganz legal durch Menschenhand. Dort gebe es aber auch ganz andere Interessenkonflikte, sagt Derk Ehlert: „Da geht es beispielsweise um den Schutz der Hochwasserdeiche oder auch um landwirtschaftliche Flächen, die durch Biberdämme unter Wasser gesetzt werden.“

Brandenburg hat deshalb gerade eine neue Biberverordnung in Kraft gesetzt. Sie sieht vor, dass die Tiere, die sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Land rasant vermehrt haben, in Ausnahmefällen getötet werden dürfen.

Allerdings nur, wenn zuvor alle Alternativen gescheitert sind, nur zu bestimmten Zeiten sowie an bestimmten Orten und nur mit entsprechender Genehmigung. Liegt diese nicht vor, müssen die illegalen Biber-Jäger auch in der Mark mit empfindlichen Strafen rechnen.

Genau wie derjenige, der das Biberweibchen an der Wuhle erschlagen hat. Der Forderung des Nabu Berlin hätte es nämlich gar nicht bedurft: Wie eine Polizeisprecherin dem Tagesspiegel auf Anfrage sagte, ermittelt das Landeskriminalamt deswegen bereits seit dem 18.August wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Bislang gegen Unbekannt.

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