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Berlin: Der junge Zampano

Lorenzo Quinn ist der Sohn von Filmlegende Anthony Quinn, aber in erster Linie Bildhauer. Jetzt stellt er in Mitte aus

Wenn er erst gestikulierend ins Handy brüllt und sich dann innerhalb einer Minute in einen charmanten, heiteren Mann verwandelt, wirkt er wie eine moderne Version des legendären Zampano aus „La Strada“. Der Bildhauer Lorenzo Quinn ist stolz auf seinen Namen und seine Gene, aber leicht gemacht wurde ihm sein Leben nie. Als Sohn der Hollywood–Legende Anthony Quinn musste er immer doppelt um künstlerische Anerkennung kämpfen: „Die Kritiker und Kuratoren begegnen mir voller Vorurteile, Gott sei Dank hatte ich immer den Rückhalt der Leute, sie lieben meine Kunst und für sie arbeite ich.“ Tatsächlich sind die Bronzeskulpturen, die der 38-Jährige jetzt erstmals auch in Berlin ausstellt, figürlich, direkt, und alles andere als abstrakt. Sie sprechen von der Zeit und von Gefühlen wie Unsicherheit, Liebe, Zerrissenheit. „Ich mache Kunst, die sich an alle richtet, egal welcher Herkunft, welchen Geschlechts oder welcher Religion.“

Universell verständlich sind seine Skulpturen, gleichzeitig will er den Betrachtern immer auch Freiraum für Fantasie lassen. Ein Werk handelt vom ersten Kuss, jedoch sind die küssenden Gesichter der Figuren nicht zu sehen, „Jeder Mensch hat seine eigene Erinnerung an den ersten Kuss, die will ich gar nicht versuchen nachzubilden.“ Lorenzo Quinn ist kein künstlerischer Grenzgänger, aber dass er ein entschiedener Gegner aller bestehenden Grenzen ist, wurde ihm schon in die Wiege gelegt. Wie sein Vater, in dessen Adern mexikanisches, irisches und amerikanisches Blut floss, sieht er sich als Weltbürger. Der Besitzer eines amerikanischen Passes verbrachte seine Kindheit in Italien, studierte und lebte in New York, ist mit einer Italienerin verheiratet und lebt seit sieben Jahren in Barcelona. „Wenn ich nach meiner Heimat gefragt werde, weiß ich ehrlich nicht, was ich antworten soll. Am liebsten würde ich jedes Jahr woanders wohnen.“ Das Familienleben mit seinen zwei Kindern verhindert ein solches Nomadenleben zwar, trotzdem ist der mittlerweile erfolgreiche Künstler oft unterwegs, demnächst geht es zur Werkschau nach Mexiko und Indien. Die große Neugier, mit der er sich den Dingen nähert, ist auch hier in Berlin zu spüren. Als „vibrierend, dynamisch und voller Kunst“ empfindet er die Stadt, seiner Frau Giovanna gefallen besonders die stilvollen Restaurierungen der alten Häuser in Mitte. In die MoMA-Schau werde er nicht gehen, sagt Lorenzo Quinn, viel mehr interessiere ihn das Tacheles und das Berliner Straßenleben.

Auf der Vernissage seiner Ausstellung umringen ihn Leute und Kameras, gut gelaunt und selbstbewusst präsentiert er sich und seine Werke. Warum die meisten gekommen sind, weiß er auch: „Es ist immer erst der berühmte Name, der mir und meiner Arbeit vorauseilt, das ist das Negative, aber ich muss damit leben“. Seinen Namen würde er aus Respekt zu seinem Vater nie ablegen. Alles habe sein Vater ihn gelehrt, die Stärke, die Liebe zu den Menschen, aber auch die Kunst. Anthony Quinn war selbst Maler und Bildhauer, jedoch nicht erfolgreich, „weil er als Schauspieler zu berühmt war“, wie sein Sohn heute sagt. Er selber war zeitweise auch Schauspieler und spielte sein Idol Salvador Dalí. Heute weiß er, dass er kein zweiter Dalí ist und auch kein zweiter Anthony Quinn. Sondern einfach nur Lorenzo Quinn.

Bis zum 31. Mai 2004 im Kunsthof, Oranienburger Straße 27 in Mitte. Geöffnet Donnerstag bis Sonntag, 15 bis 19 Uhr .

Judith Hyams

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