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Berlin: Der lange Weg zum kurzen Dach

Erst in der Planungsphase wurde die Glaskonstruktion auf 430 Meter verlängert – und danach wieder gestutzt, versichert die Bahn

Ist das künstlerische Werk des Architekten Meinhard von Gerkan am Hauptbahnhof zerstört oder nicht? Im neu aufgeflammten Streit zwischen Bauherrn und Architekten um die Kappung des Glasdachs unterstreicht die Bahn AG ihren Standpunkt: nein. Ihr Argument: Von Gerkans Ursprungs-Version des Bahnhofs habe ein kurzes Dach vorgesehen. Die Klagen des Architekten, die von ihm vorgesehenen Proportionen des Gebäudes seien aus dem Gleichgewicht gebracht und sein Gesamtwerk damit beschädigt, seien daher nicht stichhaltig. Von Gerkan wettert gegen diese von der Bahn AG neu aufgemachte Front, will sich aber erst zu einem späteren Zeitpunkt detailliert äußern.

Der Auftrag für den Bau des Hauptbahnhofs wurde mehr oder weniger freihändig von der Bahn an von Gerkan vergeben. Im Februar 1993 hatte der Architekt die Bahn, aber auch den Senat mit seiner Idee überzeugt, den neuen Kreuzungsbahnhof durch die zwei Bügelbauten darzustellen, die er über die Ost-West-Trasse der Stadtbahn legte. Zu diesem Zeitpunkt war die Länge des Daches noch nicht festgelegt. Erst in der danach begonnenen Planungsphase und als Ergebnis des städtebaulichen Wettbewerbs für das Lehrter Stadtquartier und den Humboldthafen verlängerte sich das Dach schließlich und erreichte am Ende der Planungsphase die Länge von 430 Metern. Darauf hatten sich alle an der Planung vertretenen Parteien, also der Architekt, die Bahn und der Senat verständigt. Entsprechend lautete auch der Auftrag an von Gerkan.

Während der Bauphase glaubten die Ingenieure der Bahn, dass das lange Dach weder mit den vom Architekten bezifferten Kosten von rund 37 Millionen Euro, noch in dem Zeitrahmen bis zur Fußball- WM 2006 zu errichten war. Kurzerhand entschied die Bahn daher, das Dach von 430 auf nun 321 Meter zu kappen. Damit sei der Kosten- und Zeitrahmen wieder halbwegs eingehalten worden. Von Gerkan sieht sein Kunstwerk zerstört

„Das ist einfach nicht wahr“, sagt Bahn-Sprecher Michael Baufeld, „weil die Behauptung nicht stimmt, dass Herr von Gerkan von Anfang an ein 430 Meter langes Dach bauen wollte.“ Tatsächlich hat das Ursprungsmodell aus dem Jahr 1993 ein kurzes Dach, war aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als eine Idee für den Bahnhofsneubau. Von einem konkreten Bauplan könne in diesem Stadium allerdings noch gar nicht gesprochen werden, sagte von Gerkan dem Tagesspiegel. Die konkreten Baupläne und das darauf abgestimmte Glasdach in der Langversion sei erst später entstanden. Auch der Senat befürwortete stets den Bau des langen Dachs, um in direkter Nähe des Bahnhofs Wohnungsbau zu ermöglichen. Das Dach sollte dabei als Schallschlucker dienen.

Was die gestörten Proportionen des Bahnhofs betrifft, sind die für den Betrachter nur so lange zu sehen, wie der Hauptbahnhof allein auf freier Flur steht. Sind erst die Neubauten am Lehrter Stadtquartier und dem Humboldthafen fertig, ist von dem Dach kaum noch etwas zu sehen.

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