zum Hauptinhalt
Theo Kim ist Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunkt Onkologie und Palliativmedizin.

©  Birgit Formann

Der Leiter der Portalambulanz im Gespräch: Wege durch den onkologischen Dschungel

Für Krebspatienten auf der Suche nach der besten Behandlung ist die Portalambulanz der Charité eine gute Anlaufstelle. Hier finden Patienten schnell die richtigen Ansprechpartner. Ein Gespräch mit Leiter Theo Kim.

Sobald der erste Verdacht auf Krebs besteht, sind viele Patienten überfordert. Wie geht es nun weiter? Bestätigt sich der Verdacht, folgt meist ein langer und nicht immer geradliniger Weg zur Heilung - von der OP und Behandlung in der Klinik bis hin zu Therapien und Folgeuntersuchungen, die zum Teil auch ambulant in Arztpraxen stattfinden können. In der Interdisziplinären Onkologischen Portalambulanz der Charité unter der Leitung von Theo Kim können Betroffene frühzeitig Rat suchen, um den besten Behandlungspfad zu finden.

Herr Kim, Sie leiten die Portalambulanz des Charité Comprehensive Cancer Centers (CCCC), also des Krebszentrums der Universitätsklinik, in der die diversen Kompetenzen zur Tumorbehandlung gebündelt sind. Was leistet die Portalambulanz?

Natürlich haben wir nicht selbst die Expertise, etwa zu operieren oder zu bestrahlen, sondern unser Schwerpunkt liegt auf der medikamentösen Therapie. Es geht darum, dem Patienten den richtigen Weg durch den „onkologischen Dschungel“ zu zeigen und ihm auch schnell zu ermöglichen, die richtigen Ansprechpartner zu finden. Und das von Anfang an, noch vor der Diagnosestellung, über die Therapie bis zur Nachsorge. Uns liegt am Herzen, dass die Kontaktaufnahme sehr einfach und unkompliziert ist. Wir sind nicht nur für komplizierte universitäre Fälle zuständig, sondern fühlen uns allen onkologischen Erkrankungen verpflichtet.

Von der Diagnose Krebs bis zur Heilung existiert dieser „onkologische Dschungel“. Wo gibt es bei den Patienten den größten Bedarf an Hilfe? Ich denke, die größte Schwierigkeit für Betroffene ist es, den richtigen Ansprechpartner zu finden, also zu wissen, wer eigentlich für die Erkrankung zuständig ist. Ist es der Chirurg, der Strahlentherapeut, der Gynäkologe oder der Hals-Nasen-Ohren-Arzt? Unsere Aufgabe ist es, diesen richtigen Ansprechpartner zu finden und den Patienten, falls notwendig, auf dem gesamten Weg zu unterstützen. Ich sage Patienten, die in ihrem persönlichen Umfeld schon Krebserkrankungen hatten, häufig: Jeder Verlauf ist unterschiedlich, jede Krebsart ist unterschiedlich. Und selbst wenn sie dieselbe Krebsart haben wie ihr Nachbar, heißt das noch längst nicht, dass der Verlauf der gleiche sein muss. Viele kommen auch mit Vorurteilen hierher. Die gilt es aus dem Weg zu räumen und so auch Ängsten zu begegnen.

Wie kann ich mit Ihrer Einrichtung Kontakt aufnehmen?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Es gibt die Kontaktaufnahme über die Cancer-Hotline (Tel. 450 56 42 22, E-Mail cccc@charite). Diese Anfragen werden dann an die entsprechenden Ansprechpartner weitergeleitet. Viele Leute kommen auch direkt mit ihren Unterlagen hier vorbei. Wir bemühen uns dann, diese so schnell wie möglich zu sichten, sodass wir den Patienten innerhalb von ein bis zwei Tagen eine Rückmeldung geben können.

Wie viel Zeit können Sie sich dann für die Erstvorstellung eines Patienten nehmen?

So viel Zeit, wie notwendig ist. Wenn bisher nur ein Verdacht besteht, wird man sicherlich viel Zeit brauchen; wenn es um eine Zweitmeinung zu einem Patienten geht, der schon lange in Behandlung ist und einen komplizierten Verlauf hinter sich hat, ebenso. Oft sind es etwa 45 Minuten, falls sinnvoll und erforderlich, natürlich auch länger.

Können Sie den Ablauf anhand eines Beispiels veranschaulichen?

Nehmen wir den Fall einer Patientin, die 76 Jahre alt ist und von ihrer Hausärztin zur Mitbehandlung beim Verdacht einer bösartigen Erkrankung überwiesen wurde. Sie hatte uns die Vorbefunde zuvor schon zugefaxt, wir haben sie gesichtet und geschaut, ob es Hinweise auf zusätzliche Befunde gibt, die noch nicht direkt vorliegen. Dann hat die Patientin einen Termin bekommen, an dem wir die Vorgeschichte noch einmal aufgearbeitet haben. Im ersten Gespräch mit der Patientin habe ich dann mit ihr besprochen, welche Verdachtsdiagnose vorliegen könnte und welche diagnostischen Maßnahmen notwendig sind. Diese wurden dann alle in die Wege geleitet und mit der Patientin vereinbart, dass wir uns nach der Durchführung dieser Untersuchungen noch einmal zusammensetzen, um die weiteren Schritte zu planen. Meist kann man nicht schon direkt am Anfang den kompletten Verlauf festlegen. Man kann nur sagen: Das ist die Ist-Situation und diese Schritte halten wir für notwendig. Wenn die dann erfolgt sind, machen wir eine Bestandsaufnahme und besprechen, wie es weitergehen soll. In dem vorliegenden Fall gab es erfreulicherweise gar keinen Hinweis auf eine bösartige Erkrankung, sodass die Patientin jetzt an einen anderen Facharzt weitergeleitet wurde. In dem Fall haben wir dann auch den Kontakt dorthin hergestellt.

Ihre Angebote richten sich nicht nur an Betroffene, sondern auch an Angehörige und Ärzte. Tatsächlich stellen Angehörige oft die Frage: Mein Verwandter hat eine bösartige Erkrankung, wie können Sie mir helfen?

Dann müssen wir antworten: Wir müssen den Patienten selbst gesehen haben, um das einschätzen zu können. Es kommen auch Anfragen von ärztlichen Kollegen. Wenn es Internisten oder fachfremde Disziplinen sind, würden wir uns des kompletten onkologischen Falles annehmen. Wenn es andere Onkologen sind, dann geht es um die klassische Zweitmeinung.

Und wie werden dann die Entscheidungen getroffen?

Zuerst einmal muss die Diagnose stehen. Danach hängt es von dem spezifischen Fall ab, ob eine Tumorkonferenz notwendig ist oder nicht. Im Anschluss daran wird dem Patienten der therapeutische Vorschlag unterbreitet.

Wie läuft eine solche Tumorkonferenz ab?

Im Gegensatz zu vielen Tumorkonferenzen an anderen Standorten gibt es hier Konferenzen zum Beispiel nur für Darmkrebs oder für Lungenkrebs – nicht nur eine Krebskonferenz insgesamt. Jede Tumorkonferenz findet einmal wöchentlich statt. Das sind hoch spezialisierte Konferenzen, in die alle an der Behandlung einer bösartigen Erkrankung beteiligten Ärzte involviert sind. Das ermöglicht uns, alle Disziplinen in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen. Die Konferenzen dienen somit auch der Qualitätssicherung.

Welche verschiedenen Therapien lassen sich denn unterscheiden?

Für mich als Onkologen ist eine der wichtigsten Fragen: Liegt eine bösartige Erkrankung vor? Und wenn sie vorliegt: Ist sie heilbar oder nicht? Das heißt: Geht es um eine kurative oder eine palliative Therapie? Diese Abgrenzung befindet sich zum Teil im Wandel. Patienten, die früher als unheilbar galten, können heute mit modernen Therapien geheilt werden. Wenn man das Ziel der Therapie festgelegt hat, kommen die verschiedenen Fachdisziplinen hinzu. Die medizinischen Onkologen, die Strahlentherapeuten und die Chirurgen. Das sind die wesentlichen Säulen der Krebstherapie.

Lässt sich allgemein sagen, wann welche Therapie zum Einsatz kommt?

Viele solide Tumore, das heißt bösartige Erkrankungen, die von festem Gewebe und nicht vom blutbildenden System ausgehen, können in einem frühen Stadium durch eine Operation geheilt werden, mit einer alleinigen systemischen Therapie wie der Chemotherapie aber nicht. Im fortgeschrittenen Stadium, wenn es bereits Metastasen gibt, würde man in der Regel nicht operieren, sondern eher eine systemische Therapie durchführen. Wobei es natürlich auch Ausnahmen und Sonderfälle gibt.

Wie viel Zeit beansprucht der gesamte Behandlungspfad bei Krebs?

Von der Kontaktaufnahme bis zur Diagnosestellung sind es in der Regel je nach Dringlichkeit und Komplexität ein bis zwei Wochen. Wie lange die Behandlung geht, kann man nicht pauschal sagen. Wenn es sich um eine einfache Operation handelt, ist der Fall danach abgeschlossen; wenn sich daran eine Chemotherapie anschließt, kann man es meist auch noch ziemlich genau vorhersagen. Wenn es sich aber beispielsweise um eine palliative Situation handelt, wenn es also darum geht, nicht mehr zu heilen, sondern so viel Lebensqualität wie möglich auf dem letzten Lebensabschnitt zu erreichen, ist dies meist nicht möglich.

In der Vergangenheit kam es aufgrund von Exklusivverträgen der Krankenkassen mit bestimmten Lieferanten zu Engpässen bei den Zytostatika. Klären Sie die Patienten eigentlich über solche Probleme auf?

Das darf eigentlich für Patienten nicht relevant sein. Es gab tatsächlich Lieferengpässe, die waren allerdings weniger auf Verträge zurückzuführen als auf den Mangel an Substanzen. Die prominentesten Beispiele sind Substanzen, die wir hier seltener einsetzen, sodass es uns zumindest im letzten Jahr nicht betroffen hat.

In welchem Verhältnis stehen ambulante und stationäre Therapie?

Meist sind Therapien und Untersuchungen auch ambulant durchführbar. Das hängt vom Zustand des Patienten und der Dringlichkeit der Untersuchungen ab. Bei der Erstdiagnose, wenn es den Patienten am schlechtesten geht, ist oft eine stationäre Behandlung nötig, danach kann man die Therapie ambulant fortführen. Die Kooperation funktioniert sehr gut, da wir auch Bestandteil der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie am Campus Charité Mitte sind. Diese enge Verzahnung der Portalambulanz mit dem stationären Bereich ist einer der großen Vorteile. Das heißt: Ist der Zustand eines Patienten zu schlecht für eine ambulante Therapie, kann man das auch kurzfristig stationär ermöglichen.

Das Gespräch führte Hauke Hohensee. Dieses Interview und weitere Informationen rund ums Thema Krebs (darunter Brust-, Darm-, Lungen-, Prostatakrebs) finden Sie im Gesundheitsratgeber „Tagesspiegel Onkologie“. Das Magazin kostet 12,80 Euro und ist erhältlich im Tagesspiegel-Shop, www.tagesspiegel.de/shop, Tel. 29021-520 und im Zeitschriftenhandel.

Zur Startseite