zum Hauptinhalt

Berlin: Der Mann am Rande des Rampenlichts AUFTRITT DER WOCHE

Johannes Roloff, Pianist

Dieser schlanke Rücken, den kennt man, und das scharf geschnittene Profil, das auch. Johannes Roloff weckt schon familiäre Gefühle, so regelmäßig ist er seit mehr als zwei Jahrzehnten in den Kleinkunstbühnen und Konzertsälen der Stadt zu sehen. Meist allerdings nicht im Rampenlicht, sondern knapp daneben. Als präziser Klavierbegleiter, ausgebuffter Arrangeur und hingebungsvoller Bandleader von Künstlern wie den Geschwistern Pfister oder Maren Kroymann.

Bei ihrem neuen Programm „In my Sixties“, das Dienstag Premiere in der Bar jeder Vernunft hat, hat er wieder die musikalische Leitung. So wie bereits vor mehr als zehn Jahren bei „Gebrauchte Lieder“, Kroymanns Debüt als Sängerin. In Cordhose und Kapuzenpulli steht sie im Probenraum irgendwo in einem Neuköllner Gewerbegebiet und freut sich. Über die Songs von Dusty Springfield, die sie singt. Und weil sich wer für ihren geschätzten Bandleader interessiert. Er hat bei der Probe mit Schlagzeuger, Bassist und Gitarrist zwar das Sagen, macht davon aber nur in seinem eigenem Stil Gebrauch: freundlich und sparsam. So ist Jo, wie er auf der Bühne heißt: Rücken gerade, Profil prägnant, Charakter zurückhaltend.

Nummern wie „I think it’s going to rain today“ oder „In private“ laufen professionell durch, unterbrochen von leichtem Abstimmungsgeplänkel und einem „schön“ vom Chef als Maximalkommentar. Dann spielen sie „Geh nicht vorbei“, und Johannes Roloff hält dem ungeduldigen Schlagzeuger eine Gardinenpredigt. Die besteht bei ihm aus einem Satz: „Das ist zu schnell, einfach nicht profund genug.“ Die Wortwahl überrascht, hier wird ja schließlich Unterhaltungsmusik gemacht.

Doch egal, welchen der Künstler, mit denen Roloff arbeitet, man fragt: Sie attestieren ihm, selbst im größten Blödsinn auf Substanz bedacht zu sein. Er sei musikalisch subtil und differenziert, sagt Kroymann hinterher in einer stillen Ecke. „Und weil er als Pianist auch klassische Konzerte gibt, hat er so eine schöne Distanz zur Popmusik.“ Die Geschwister Pfister, die Roloff vor 20 Jahren über Romy Haag kennengelernt haben, bescheinigen ihm Gefühl für Timing und Stil. Im Mai war das gerade in ihrer Hommage an Peter Alexander und Mireille Mathieu zu überprüfen.

Und was sagt Johannes Roloff selber über sich? „Ich mache halt das, was ich kann.“ Spricht’s und brüht in seiner Altbauwohnung in Charlottenburg erstmal Tee auf. Den Flügel im Wohnzimmer hat ihm sein Vater Helmut vererbt. „Noch zu Lebzeiten“, betont der 1957 geborene Sohn, und man spürt den Ritterschlag, der darin für ihn steckt. Helmut Roloff war Pianist, genau wie seine Frau Inge Roloff. Im Nationalsozialismus war der Vater Mitglied der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“, in den Sechzigern wurde er Direktor der Hochschule für Musik in der Fasanenstraße. Zugefallen sei ihm das Klavierspielen aber trotzdem nicht, sagt Johannes Roloff, der nach Abitur und Musikhochschule bis heute auch mit Klassikprogrammen auftritt.

Gerade der Kontrast von Kammermusiksaal und Kleinkunstbühne gefällt ihm. Natürlich: „Beethoven spielen ist schon vielschichtiger als das, was ich mit den Pfisters oder Maren Kroymann mache.“ Seinen Spaß am Entertainment mindert das aber nicht.

Johannes Roloff weiß: Die vorne an der Rampe können ja gar nicht ohne ihn. Natürlich sagt er’s nicht. Lieber diesen Satz: „Ein guter Begleiter atmet mit, der ahnt die nächste Phrase des Sängers voraus.“ Und vor der Premiere, da habe er schließlich eine ganz andere Position. Als Musikdirektor, Arrangeur, Motivator, alles. Die Bühnenrolle am Rande des Rampenlichts, die passe genau zu ihm. Genau, fast vergessen: Er ist ja ein zurückhaltender Mensch. Gunda Bartels

Bar jeder Vernunft, 27. September bis 9. Oktober, Di-Sa 20 Uhr, So 19 Uhr, ab 24,50 €

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false