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Berlin: Der Mann aus Rio

In Brasilien fesselt Pedro Bial 30 Millionen Zuschauer vor dem Bildschirm. Jetzt hat er in Berlin einen Film gedreht

Pedro Bial sitzt im maßgeschneiderten Anzug auf dem Beifahrersitz eines schicken BMWs und lässt sich durch die Berliner Nacht fahren. Das Radio spielt HipHop, „Ja, ja … deine Mudder" von Fünf Sterne Deluxe. Er zieht seine Schultern nach oben und nach unten, versetzt seinen Körper in den richtigen Beat, knöpft sogar das Jackett auf. Doch der gute Anzug setzt den Bewegungen Grenzen.

Bial ist waschechter Carioca. So heißen die Menschen, die in Rio de Janeiro leben. Nach Berlin hatte ihn das Goethe-Institut eingeladen. Eine Woche war er hier, um eine Dokumentation über die Stadt zu drehen. Mit seinem Kameramann Fernando besuchte Pedro Bial die Kunstgalerien in Mitte, das Jüdische Museum und selbstverständlich ein Spiel von Hertha BSC.

In Brasilien ist Pedro Bial ein Star. 30 Millionen Zuschauer sehen dort jeden Sonntag seine Sendung „Fantastico“, eine Mischung aus „Weltspiegel“ und „Brisant“. In Berlin blieb er unerkannt. Das letzte Mal war er vor 14 Jahren zur Zeit des Mauerfalls hier und beobachtete das Leben in der Stadt als Korrespondent für Brasiliens größten Fernsehsender Globo TV. „Früher war die Mauer für mich der wichtigste Orientierungspunkt, jetzt sind es der Potsdamer Platz und der Fernsehturm. Berlin ist eine andere Stadt geworden, viel bunter als damals.“ Wenn Pedro Bial grinst, sieht er ein bisschen wie Jack Nicholson aus. Spricht man ihn darauf an, wird sein verlegenes Grinsen noch breiter.

Seine Großeltern haben bis 1934 in der Königstraße in Zehlendorf gewohnt. Die Schwermütigkeit, die er noch von seiner Großmutter kenne, habe er in Berlin nicht mehr angetroffen, sagt der 45-Jährige. Der Brasilianer hat dafür eine eigenwillige Erklärung. „An fast jeder Straßenecke in Berlin kann eine Geschichte über die deutsche Vergangenheit erzählt werden. Ich glaube, dass diese Last hier jedem irgendwie auf den Schultern ruht. Nur mit Leichtigkeit und der richtigen Portion Humor kann man damit umgehen. Den jungen Menschen fällt das leichter."

Auf seinem Streifzug durch das Berliner Nachtleben hat ihm das „Rio“ in der Chausseestraße am besten gefallen. Südamerikanische Musik läuft dort allerdings nicht, sondern Dancehall, House und Punk. Ohne zu drängeln kommt man kaum vorwärts. Bial bestellt sich ein Bier und macht sich auf zur Tanzfläche im Keller. „Ich bin erstaunt, wie respektvoll man hier drängelt“, lacht Bial. „In Rio läuft das Fass in solchen Läden schnell über, und die Männer spielen mit ihren Muskeln.“

Dass man in Berlin immer noch Bars in feuchten Kellern und Ausstellungen in baufälligen Häusern entdecken kann, hat ihn überrascht: „Seit über zehn Jahren wird überall in der Welt davon erzählt, dass Berlin pulsiert“, sagt Bial. „Ich dachte, das hätte sich mittlerweile ein bisschen gelegt, aber ich bin vom Gegenteil überzeugt worden.“

Nur das mit dem richtigen Rhythmusgefühl müssten die Berliner noch lernen. Der Brasilianer zieht die rechte Augenbraue nach oben. Pedro Bial spricht kein Deutsch, ein deutsches Lieblingswort hat er trotzdem: „Beispiellos – das hat mein Großvater früher oft gesagt.“ Jetzt sieht er wieder ganz wie Nicholson aus.

Mandy Schielke

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