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Grobschmecker. Der Charlottenburger Zander ist nicht für subtile musikalische Darbietungen, aber durchaus für seine wohltätige Ader bekannt. Foto: Adam Berry/dapd

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Berlin: Der Mann fürs Volk

Witzbold, Wohltäter, Schlagerfuzzi: Frank Zander wird 70.

Dem Mann ist nicht beizukommen. Witzgranate, Wohltäter, Schlagerfuzzi, Thekenrocker – und jetzt auch noch 70 Jahre alt. Irgendwie würde man Frank Zander wünschen, dass er langsam ins seriöse Fach wechselt und, ja was eigentlich? Gibt nichts anderes, er muss machen, was er macht, er spielt immer genau den, den du am Tresen treffen willst, wenn wieder alles auf halbmast hängt.

Vor ein paar Jahren hat er mal Udo Jürgens den Schmachtfetzen „17 Jahr, blondes Haar“ entwendet und eine Neuaufnahme im Stil von Rammstein produziert, eigentlich nicht mehr als ein Sauftourulk. Aber er ist einer, der solche Albereien nicht kichernd abhakt, sondern hell und schnell in kurzlebige Hits verwandelt. Den medialen Nachhall beförderte er in seiner besten Zeit durch ein paar sorgfältig kalkulierte Rülpser und Zoten, die den einen oder anderen Rundfunkrat erregten, oh, Susi, das ist lange her.

Nicht, dass es für Zander jemals ins Feuilleton reichen würde. Da gibt es kein Crossover, keine ironische Aneignung, die Grenze bleibt dicht. Wer seine aktuelle Größte-Hits-CD „Best of Wahnsinn“ kauft, der kauft laut Amazon auch CDs von Helene Fischer, Jürgen von der Lippe sowie verschiedene Oldie-Musikdampfer der 60er, 70er und 80er Jahre, ist also eher ein musikalischer Grobschmecker, einer, der durchs Hören vor allem seiner entschwundenen Jugend nachtrauert. Die Sachen, die Zander ihm serviert, stecken voll davon. Zackbumm-Rock, na klar, ein Haufen Parodie, aber nur über Sachen, von denen alle schon satt sind, dazu obercooles Mackergetue, aber selbstironisch gebrochen. Er will halt nur spielen, aber das bis zum Anschlag.

Wobei dieser Anschlag auch nach über 40 Jahren in der Szene nicht sichtbar geworden ist. Geboren am 4.Februar 1942, gelernter Grafiker. In den späten Sechzigern Beatles-Hysterie, Gitarrist und Sänger bei den „Gloomy Moon Singers“, die sich zu den „Gloomys“ verknappten. Verschleppte Mandelentzündung, Reibeisenstimme. Dann die Siebziger, aber hallo. Der „Ur-Ur-Enkel von Frankenstein“ rollt die Hitparaden auf, gefolgt von „Ich trink auf dein Wohl, Marie“, dem haltlos ins Delirium absackenden Liebeslied. Und „Oh Susi“, der „zensierte“ Song, in dem das Schärfste die Lücken waren.

Später kannibalisiert Zander alles, was im Schlagergeschäft ohnehin schon Kohle macht, und setzt noch einen drauf. Verhackstückt Ententanz, „Da da da“ und Falcos „Jeanny“. Fraternisiert als „Fred Sonnenschein“ mit singenden Goldhamstern und kreuzt entfesselt durch die ARD-Humorbemühungen der Achtziger, immer ein bisschen hemmungsloser als die Kollegen, ein Comedian lange vor der Einführung der Comedy. Er macht Sachen, die Erwachsene komisch finden, aber auch ihren Kindern zeigen, manchmal eher umgekehrt. Liefert eine Art entgrenztes Familienprogramm, in dem jeder seinen Lacher findet.

Als es dann ein wenig ruhiger um ihn wird und das Fernsehen andere Witzbolde in den Vordergrund rückt, vertreibt er sich die Zeit mit Filmsynchronisationen und Liedern für Filme, rappt hier und rockt dort, und als die Welt auf den Berliner Zoo blickt, da holt er seinen Macker-Hit „Hier kommt Kurt“ aus der Versenkung und singt, was sonst, „Hier kommt Knut“. Anbiederei? Mag sein, aber so was ist bei ihm authentisch, folgt keinem Kalkül. Und dass sie bei Hertha seit fast 20 Jahren sein „Nur nach Hause gehn wir nicht“ grölen, das ist nicht planbar, dafür muss einer schon mit beiden Beinen im Fanblock verankert sein.

Nur so konnte auch Zander, der Wohltäter entstehen. Er ist keiner, der im Penthouse hockt und verlogene Charity-Galas plant. Er kann spontan mit Menschen, begreift, dass es fast allen schlechter geht als ihm, und muss sich nicht verbiegen, um jährlich Tausende von Obdachlosen zum Gänsebraten zu begrüßen. Was 1995 als PR-Manöver begann, ist längst etabliert und wächst von Jahr zu Jahr wie alles, was in Berlin Erfolg hat. Zander habe sich, schrieb mal ein Journalist, „zum echten Engel gemausert“. Das schiefe Bild dürfte ihm gefallen haben.Bernd Matthies

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