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Berlin: Der Maultaschen-Mörder

Vom Schwabenland nach Berlin und zurück: der neue Felix Huby

In Deutschland leben – das ist ja kein Deckchensticken. Trotzdem haben wir beim Lesen von Kriminalromanen immer den Eindruck, hier in einer Idylle zu leben. Amerikanische und englische Autoren schaffen es, bedrohliche Atmosphäre und Spannung in ihren Romanen so zu verdichten, dass wir beim Lesen rote Ohren kriegen, und die Skandinavier – Liza Marklund und Arne Dahl als nur zwei von vielen Beispielen – sind gerade dabei, das noch zu übertreffen. Doch in Deutschland: Lahme Ermittler, biedere Verbrecher, Kriminalität auf Hartz-IVNiveau. Es muss eher am Land selbst liegen als an den heimischen Autoren, denn wenn ein Zugereister wie Buddy Giovinazzo eine brachiale Mafia-Blutorgie („Potsdamer Platz“) verfasst, liest sich das ja durchaus noch öder als die übliche Krimikost hiesiger Provenienz.

Ist es nun die Wende, wenn uns einer die spannende Fahndung nach einem Serienmörder in Berlin verspricht? Ach, der Autor heißt Felix Huby, auf dem Umschlagfoto liest einer auf dem Bahnhof Friedrichstraße das „Schwäbische Tagblatt“, und wir ahnen, dass auch hier der Erste Hauptkommissar Bienzle wieder retardierend tätig sein wird. Immerhin: Es gibt einen Neuen als Hauptfigur, Oberkommissar Peter Heiland, einen linkischen Schwaben, den es ausgerechnet ans Berliner LKA verschlagen hat. Und man mag über Huby sagen, was man will: Er kann Figuren zum Leben erwecken, Dialoge schreiben, routiniert Handlungsbögen miteinander verknüpfen, und er sieht vor allem bei seinen Schauplätzen genau hin. Das Berlin, vor dem sich die Hälfte der Handlung entfaltet, ist das aktuelle Original, kein schlecht beleuchtetes Abziehbild der Bronx von 1980 und auch kein verschnarchtes Kreuzberg-Idyll, wie es sich Touristen so vorstellen.

Andererseits ist nur schwer vorstellbar, dass einer in Berlin scheinbar wahllos Menschen auf der Straße erschießt – und die Sonderkommission dennoch so bierruhig vor sich hin ermittelt, dass der Neue aufdringlich werden muss, um überhaupt teilnehmen zu dürfen. Da aber auch der Serienmörder aus Schwaben stammt, wird der Fahndungsschwerpunkt alsbald auf die Alb verlegt, wo sich Huby in sicheren Bahnen bewegt. Bienzle persönlich greift ein wenig beratend ein, und die Lösung des Falls findet dann im Wesentlichen bei Trollinger, Maultaschen und schwer verständlichen Sinnsprüchen im Wirtshaus statt, bevor es am Rande Berlins einen Showdown gibt. Na, sagen wir: ein Showdownchen. Denn Huby ist ein deutscher Autor, er lässt kaum Blut fließen, beschreibt das Morden mit viktorianischer Dezenz und erspart den Lesern die rituellen Besuche auf der Gerichtsmedizin. In der Mitte, als ruppiger Sex und ein unvermittelter Mord dicht aufeinander folgen, scheint es, als sei er selbst erschreckt vor der Brutalität seiner Gedanken; der Mörder wird von da an immer harmloser, was der Spannung nicht bekommt. Immerhin: Es reicht für zügiges Lesen zwischendurch. Das ist ja auch schon ein Zeichen gewisser Qualität.

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