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Blumen liegen an dem Ort in Pankow, an dem eine sechsfache Mutter niedergestochen wurde.

© dpa

„Der Mord hätte verhindert werden können“: Familie der getöteten 31-Jährigen erhebt Vorwürfe gegen Berliner Behörden

Zohra Mohammad Gul wurde von ihrem Ex-Mann getötet. Ihre Schwester beklagt, dass sie trotz mehrerer Vorfälle nicht geschützt wurde.

Zohra Mohammad Gul – so hieß die 31-jährige Frau aus Afghanistan, die am vergangenen Freitag an einer Kreuzung in Pankow von ihrem Mann getötet wurde. Ihre Schwester möchte, dass der Name genannt wird.

Das sagt Ava Moayeri vom Netzwerk Zora Berlin, einer Frauenorganisation. Die 20-jährige Studentin hat die Schwester am Montag kennengelernt bei einer Kundgebung, die sie und andere unter dem Motto „Gegen Femizide“ organisiert haben. Die Schwester saß weinend auf dem Gehweg vor den Blumen und Kerzen, die für Zohra Mohammad Gul niedergelegt wurden.

An diesem Mittwoch steht Ava Moayeri wieder an der Stelle. Dort, wo der 42-Jährige Mann am Freitagvormittag auf Zohra Mohammad Gul, die Mutter der sechs gemeinsamen Kinder im Alter von drei bis 13 Jahren, mit einem Messer losging. Die Schwester der Getöteten wollte erst auch kommen, sagte dann ab – zu groß ist der Schmerz. Sie hat aber einen Brief geschrieben.

Zohra „hatte es nach Jahren häuslicher Unterdrückung gewagt, das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben wahrzunehmen“, heißt es darin. „Zum Mord an ihr kam es, nachdem sie und ihre Umgebung die Behörden in Berlin über ihre Bedrohung durch den Mann informiert hatten, der sich als ihr Eigentümer sieht.“

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Ihrer Schwester sei der Schutz verwehrt worden, „der ihr das Leben hätte retten können, und der ihren Kindern die traumatische Erfahrung des Verlusts erspart hätte“.

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Es sind harte Vorwürfe gegen die Behörden. Die Getötete kam vor zwei Jahren mit ihrem Mann und den sechs Kindern nach Deutschland, in Pankow lebten sie in einer Flüchtlingsunterkunft. Vor einiger Zeit trennte sie sich von ihrem Mann – weil er gewalttätig war.

Die Schwester von Zohra fordert Aufklärung

Ava Moayeri sagt, die Polizei habe nach dem Eindruck der Familie nichts getan, obwohl die Getötete sich gemeldet hat, obwohl sie bei der Polizei war und berichtete, dass „ihr Ex-Mann sie verfolgt und bedroht hat“.

Zohra Mohammad Gul sei gesagt worden, dass es keine Beweise gebe. „Sie hat versucht, sich Hilfe zu holen, und niemand ist darauf eingegangen“, sagt Ava Moayeri. „Sie wurde nicht ins Frauenhaus gebracht, ihr wurde keine Hilfe angeboten, sie hat keinen Schutz bekommen. Der Mord hätte verhindert werden können.“

Ava Moayeri von der Frauenorganisation Zora Berlin am Tatort. Sie spricht im Namen der Familie der Getöteten und fordert Aufklärung.
Ava Moayeri von der Frauenorganisation Zora Berlin am Tatort. Sie spricht im Namen der Familie der Getöteten und fordert Aufklärung.

© Alexander Fröhlich

Auch die Schwester, die in Oldenburg lebt, war bei der örtlichen Polizei. Denn ihrem Mann soll der brutale Ex-Schwager gesagt haben, dass er sich in seiner Ehre verletzt sieht. Dass die Trennung dasselbe sei, als ginge seine Frau mit einem anderen Mann fremd.

Bei der Polizei Berlin sind seit Jahresbeginn drei Anzeigen wegen häuslicher Gewalt gegen Zohra Mohammad Gul eingegangen. Zwei Mal rückten Beamten an, von den dritten Fall erfuhr die Polizei bei einer Vernehmung. Auch eine gerichtliche Schutzanordnung, ein Kontaktverbot war nach Angaben von Polizeisprecher Thilo Cablitz bereits vorbereitet worden. „Wir standen auch in Kontakt mit dem Jugendamt, der Einrichtung und dem Sozialdienst.“

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Die Schwester der Getöteten fordert Aufklärung – und eine Erklärung „für das Ignorieren der Warnungen vor der Gefahr, die unserer Schwester drohte und auf bitterste Weise wahr wurde“. Zohra Mohammad Gul sei ein Opfer „nicht nur der toxischen Frauenverachtung seitens ihres Mörders, sondern auch der Gleichgültigkeit, die schutzbedürftigen Migrantinnen ins Gesicht schlägt.“ Die Behörden müssten jede Warnung von Migrantinnen „so nehmen, wie es sich gehört – todernst“.

Die Polizei will Konsequenzen ziehen. „Bei einem Tötungsdelikt, bei dem eine Frau aus dem Leben gerissen wird, bei dem das Leben von sechs Kindern zerstört wurde, es drei Fälle häuslicher Gewalt gab, sind wir in der Pflicht, das aufzuarbeiten“, sagt Sprecher Cablitz. Es gehe darum, „ob wir noch mehr hätten machen müssen, was wir hätten besser machen können“. Auch Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) hat sich eingeschaltet, sie prüft, ob und was bei den Flüchtlingsbehörden schief lief.

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