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Berlin sucht den Super-Kellner. Wären sie doch nur alle so kompetent wie die Teilnehmer des "Kellnerlaufs" im April am Ku'damm!

© dpa

Der perfekte Kellner: Seid gastfreundlich!

Über unterirdische Bedienung kann man sich lange aufregen – oder Verbesserungsvorschläge machen. Elisabeth Binder träumt von einem Service-Schlaraffenland mit diskreten und einfühlsamen Kellnern.

Vielleicht geht es auch ganz anders. Berliner meckern ja gern über schreckliche Kellnerinnen und Kellner in Kneipen, Clubs und Restaurants. Ausländische Touristen lästern schon mal untereinander auf Amerikanisch oder Italienisch über unterirdische Bedienung. Eigentlich kein Wunder, dass die Leute nicht besser werden. Negative Gedanken haben nur noch mehr negative Handlungen zur Folge.

Vielleicht sollte man sich besser in ein Service-Schlaraffenland Berlin hineinträumen, in dem es in Kneipen, Clubs und Restaurants genau die Art von Personal gibt, die eine Metropole im Herzen Europas verdient. Und fest daran glauben, dass das wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung wirkt.

In diesem Schlaraffenland wird niemand mehr professionell übersehen und vom Personal links liegen gelassen, wenn er einen Wunsch äußern will. Pampige Kommentare wie „Sie sehen doch, dass ich beschäftigt bin“, kommen nicht mehr vor. Auch höhnisches Feixen oder verständnisinniger Blickaustausch mit Kollegen über offenbar für blöd befundene Gäste gibt es dann nicht mehr.

Herablassung kennt er nicht

Passionierte Gourmets werden auch nicht mehr im Luxuslokal von hochnäsigen Kellnern genötigt, ein Glas Champagner zu trinken, dessen Preis sie erst mit dem Eintreffen der Rechnung erfahren. Nein, ein unprätentiöses Servicegenie wird höflich grüßen und fragen, ob man lieber gleich die Karte anschauen oder sich erst mal mit einem Aperitif stärken wolle. Es gebe da den Jahrgangschampagner für 35 Euro das Glas, aber auch der Holundersekt für 5 Euro sei sehr zu empfehlen. Tunlichst wird der Kellner vermeiden, die Gäste in irgendeiner Weise herauszufordern, mehr Geld auszugeben, als sie ausgeben wollen. Keinesfalls wird er ihnen Geiz unterstellen, schon weil das eine Haltung der Herablassung offenbaren würde, die er gar nicht kennt. Er wird am Ende das Büchlein mit der Rechnung auf den Tisch legen und abwarten, bis die Gäste den Betrag hineingelegt haben. Sollten sie Bargeld als Zahlungsmittel wählen, wird er den gesamten Differenzbetrag zur Rechnungssumme alsbald zurückbringen. Wenn Gäste anschließend tatsächlich mal kein oder nur ein kleines Trinkgeld zurücklassen, geht er in sich, um nach Gründen zu suchen, und bedankt sich trotzdem formvollendet für den Besuch.

Elisabeth Binder, Restaurantkritikerin seit 24 Jahren.
Elisabeth Binder, Restaurantkritikerin seit 24 Jahren.

© Kai-Uwe Heinrich

Englisch ist nicht hip

Arroganz wäre für alle Kellner ein Fremdwort. Die zukünftigen Idealkellner behandeln den Gast nie von oben herab oder bevormundend. Sie werden nie versuchen, ihm ihren eigenen Geschmack aufzuzwingen. Und sie kommen nicht im Traum darauf, das letzte Viertel einer Flasche unauffällig in die Küche zu entsorgen, damit die Köche auch ihre Freude haben und sie selber den Gästen eine weitere Flasche aufschwatzen können.

In Szenerestaurants verzichten solche Kellner darauf, mit ihren Fremdsprachenkenntnissen zu prunken. Im Idealfall beherrschen sie bestimmte Grundwendungen in den wichtigsten Sprachen. Aber sie beschränken sie auf Gäste, bei denen sie sicher erkannt haben, dass diese nur ihrer eigenen Mundart mächtig sind. Deutschsprachige Gäste würden sie nie nur deshalb auf Englisch bedienen, weil sie es für hip halten.

Im Service-Schlaraffenland spricht es sich sogar bis in den hintersten Winkel von Prenzlauer Berg herum, dass Gäste auch mal hungrig sein können oder es eilig haben und darum nicht superscharf darauf sind, auf jeden Gang eine Stunde zu warten. Auch pflegen die Kellner in der Schlaraffenwelt gute Kontakte zum Koch, so dass sie nicht nur wissen, was auf dem Teller ist, sondern vielleicht sogar Auskunft über die Zutaten geben können. Weder kommt es ihnen in den Sinn, einen Teller wegzureißen, bevor er ganz leer gegessen ist, noch lassen sie ihn so lange stehen, bis sich eine Ameisenkolonie darauf etabliert hat. Wenn sie erkennen, dass Gäste gerade in ein ernstes Gespräch vertieft sind, fällt es ihnen nicht im Traum ein, immer wieder mit überflüssigen Fragen und Aktivitäten zu stören.

Gern mit Schnauze - und Herz!

Diskretion und Einfühlungsvermögen gehören zu ihren großen Stärken. Weshalb sie auch nie lauthals über die Härten ihres Jobs klagen oder gar die eigene schlechte Laune an den Gästen herauslassen.

Wir wollen uns bitte nicht missverstehen. Die Schlaraffen-Kellner sind keine stromlinienförmigen Roboter, keine angepassten, devoten Ja-Sager. Schnauze gehört in Berlin schon auch dazu, und es gibt keinen Grund, eine schlagfertige Bemerkung zu unterdrücken oder auch mal einen rauen Witz. Aber platte Pampigkeit ohne Esprit wird komplett passé sein. Schnauze kommt am besten an mit reichlich verstreuten Spurenelementen von Herz. Schöne, nette Welt!

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