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Berlin: Der "Präsident" spaltet Justiz und Polizei

BERLIN .Der "Präsident" hat es geschafft: Ein vielfach krimineller Asylbewerber hat erst die Berliner Polizei gegen die Justiz aufgebracht und nunmehr auch die Justiz in Gestalt des Richterbundes gegen die Polizei.

BERLIN .Der "Präsident" hat es geschafft: Ein vielfach krimineller Asylbewerber hat erst die Berliner Polizei gegen die Justiz aufgebracht und nunmehr auch die Justiz in Gestalt des Richterbundes gegen die Polizei.Die Richter könnten künftig "lausige Polizeiarbeit als Mit-Ursache" für Freisprüche oder milde Urteile benennen und nicht mehr "höflich den Deckel zuhalten", erklärte der Deutsche Richterbund gestern in Berlin.Ausgangspunkt: Der Fall des Mohaiddine Al-Zein, genannt der "Präsident".Der bei der Polizei als Chef einer kriminellen libanesischen Großfamilie geführte Al-Zein war kürzlich wegen Rauschgifthandels zu zweieinhalb Jahren verurteilt worden - viel zu milde, wie OK-Fahnder meinten.In aller Stille haben inzwischen zwei Richter der Strafkammer mit OK-Beamten konferiert und ihnen offenbar klargemacht, welche Ermittlungen und Beweise für eine Verurteilung notwendig sind.

Offiziell wurde dieses ungewöhnliche Gespräch gestern weder bei der Justiz noch bei der Polizei bestätigt.Es wirft aber ein Schlaglicht auf das Klima, das der Fall des angeblichen "Drogen-Paten" zwischen Fahndern und Justiz ausgelöst hat.Die Polizei hatte seit mehr als einem Jahr gegen eine Gruppe von arabischen Kokain-Händlern ermittelt.Neun geständige Angeklagten wurden in dem Prozeß auch verurteilt, der Haupttäter zu acht Jahren Haft.Al-Zein, nach Anklage und Prozeß hier jedenfalls optisch nur eine Randfigur, handelte sich zweieinhalb Jahre ein.In den Strafen dürfte nach allen Erfahrungen ein gewisser "Abschlag" wegen der Geständnisse stecken.

Das hatte den GdP-Vorsitzenden Eberhard Schönberg zu der Frage veranlaßt, ob Richter sich aus "Bequemlichkeit oder Furcht" nicht mehr trauten, Drahtzieher der organisierten Kriminalität angemessen zu verurteilen - eine Urteilsschelte, die inzwischen auch bei der GdP als übertrieben gilt."Die ermittelnden Kollegen wissen immer mehr, als in der Anklage steht und zu beweisen ist", sagte bei der Gewerkschaft gestern zur Erklärung Dieter Großhans.Daß dies für ein Urteil unerheblich ist, hat zwar offenbar die Gewerkschaft eingesehen.Der Richterbund polterte aber gestern "zurück", wie sein stellvertretender Vorsitzender Peter Faust sagte.Faust, selbst Vorsitzender Richter in Moabit, zum Tagesspiegel: "Nicht selten ist die Ursache für einen Freispruch nicht etwa der schlaffe Richter, sondern die Tatsache, daß nicht ausreichend ermittelt wurde." Die Richter seien jedenfalls weder bequem noch furchtsam und hätten nicht die geringste Lust, sich "dies von einem Gewerkschaftsfunktionär vorhalten zu lassen"

Während Polizisten und Richter sich auf diese Weise ineinander verstricken, führt Al-Zein durch seinen Anwalt Johannes Eisenberg einen umfangreichen Gegendarstellungs-Krieg gegen Berliner Zeitungen.Im Tagesspiegel ließ er beispielsweise erklären, er sei weder Clanchef noch Familienoberhaupt und beziehe "derzeit" auch keinerlei Sozialhilfe.Tatsächlich kassierten seine "Ehefrau und deren Kinder".

Besonders umfangreich sind die Darstellungen Eisenbergs - unter Journalisten als so etwas wie der "Präsident" des Berliner Gegendarstellungswesens bekannt - in der Bild-Zeitung."Bild" benutzt sie inzwischen auch redaktionell, um Al-Zein erst recht als Kriminellen zu präsentieren.Dort läßt der Libanese sogar Formulierungen bestreiten, die in seinem Beisein vor laufender Kamera gefallen sind wie die, daß er in Berlin der Mann sei, "der das wirkliche Sagen hat".Eine Gegendarstellung bringt einem Anwalt etwa 600 bis 800 Mark ein.

Mahmoud Al-Zein

Mahmoud Al-Zein, 31 (Foto: Wolff), reiste im April 1982 mit seiner Ehefrau über den Bahnhof Friedrichstraße ein.Er bezeichnete sich als staatenloser Moslem und stellte einen Asylantrag.Er wies sich mit einem libanesischen Paß aus.Später bezeichnete er sich als Kurde.Der erste Asylantrag wurde 1984 abgelehnt.Da kein gültiger Paß vorlag, war eine Ausreise nicht möglich.1986 wurde er wegen Straftaten zur Ausreise aufgefordert.Ein neuer Paß war bis Juli 1989 gültig.Im Juli 1988 wurde die Ausweisung per Gericht beschlossen.Nach seiner Entlassung aus der Jugendstrafanstalt wurde er in Abschiebehaft genommen, dort stellte er 1988 einen Asylfolgeantrag.Im September 1988 wurde er aus der Abschiebehaft entlassen, im November wurde der zweite Asylantrag abgelehnt.1991 stellte er den dritten Asylantrag, dieser wurde im Juli 1992 als "unbeachtlich" abgelehnt.Im August 1992 wurde er zum Zwecke der Abschiebung festgenommen, kurze Zeit später wieder entlassen.Bisher konnte er nicht abgeschoben werden, weil er zum jeweiligen Zeitpunkt über keinen gültigen libanesischen Paß verfügte.Seit 1985 wurde er u.a.wegen Körperverletzung, Diebstahls und Rauschgift-Handels verurteilt.

HANS TOEPPEN

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