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Berlin: Der Preiskampf drückt die Qualität

Rabattpoker, Großbestellungen, „fremde“ Ärzte – es gibt viele Ursachen für Fehler

Nach dem Skandal um fehlerhafte Gelenkprothesen gerät nun die Art und Weise der Beschaffung von Medizinprodukten durch die Krankenhäuser in die Kritik: Kliniken schließen sich dafür häufig zu Einkaufsgemeinschaften zusammen, um größere Bestellungen aufgeben zu können und dabei Rabatte zu erwirken. Das sei auch beim St.-Hedwig-Krankenhaus der Fall, sagte eine Kliniksprecherin. Mit welchen Partnern man solche Einkäufe tätige, wollte sie nicht sagen.

Durch solche auf den möglichst billigen Erwerb orientierte Einkaufsgemeinschaften könnte aber die Qualität leiden, sagte ein Branchenkenner, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, dem Tagesspiegel. Sie erhöhten den Druck auf kleinere Unternehmen wie Falcon Medical, das auch dem St.-Hedwig-Krankenhaus fehlerhafte Prothesen lieferte. Diese kleinen Firmen hätten außerdem ohnehin Schwierigkeiten, auf dem Markt Fuß zu fassen. Berliner Chefärzte vermuten, dass weniger bekannte Firmen ihre Produkte zu besonders günstigen Preisen an Krankenhäuser verkaufen. „Die Konkurrenz ist groß geworden“, sagt der Branchenkenner. Um die Produktionskosten gering zu halten, werde schon mal bei der Qualitätssicherung gespart. Ein Gelenk aus Keramik und Titan kann bis zu mehreren tausend Euro kosten, neue Wettbewerber würden die Produkte jedoch häufig für die Hälfte anbieten. Sollten sich Implantate als fehlerhaft erweisen, werde normalerweise erst dann reagiert, wenn mehr als ein Prozent der Prothesen reklamiert wird. Der Experte schließt nicht aus, dass auch in zahlreichen anderen Kliniken fehlerhafte Prothesen eingesetzt wurden.

Im Falle des St.-Hedwig-Krankenhauses komme hinzu, dass die Kniegelenke der Firma Smith & Nephew erst im Sommer 2006 eingeführt worden sind. Das habe eine Verwechslung der Implantate zumindest begünstigt, hieß es aus der Klinik. Darüber hinaus operieren dort sogenannte Konsiliarärzte, die zur Behandlung bestimmter Patienten von der Klinik hinzugezogen werden, ansonsten aber als niedergelassene Mediziner arbeiten. „Die Operateure sind aber schon seit Jahren bei uns“, hieß es von der Klinik.

Chefärzte weisen darauf hin, dass sich bei nur gelegentlich in einer Klinik tätigen Operateuren die Gefahr der „Misskommunikation“ erhöhe, da diese Kollegen nicht immer ausreichend mit der Struktur des Hauses vertraut seien. Häufig würden in solchen Fällen etwa die Pfleger die Verpackungen der Prothesen öffnen, dabei könne es Verwechslungen geben. Wie berichtet, hatten Klinikmitarbeiter im St.-Hedwig-Krankenhaus die englischen Hinweise falsch übersetzt. hah/mho

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