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Berlin: Der Rausch und die Tat

Was die Richter im Fall Waldemar O. alles bedenken mussten

Die Regel ist eigentlich ganz einfach: Bestraft werden kann nur, wer schuldig ist. Wer nicht bei Sinnen ist, zum Beispiel weil er vollkommen betrunken ist, kann schuldunfähig sein. Dann kann er nicht bestraft werden. So weit, so klar.

Was aber, wenn einer sich für besonders schlau hält und denkt: „Na, dann besaufe ich mich erst kräftig, haue dann zu, und mir kann keiner was.“ So schlau ist der Gesetzgeber schon lange. Wer so handelt, verlegt zeitlich seine Schuld nach vorne. Die Schuld liegt dann darin, sich absichtlich in den Zustand der Schuldunfähigkeit zu versetzen. Dafür wird der Schlauberger genauso zur Verantwortung gezogen. (Das nennt der Jurist „Actio libera in causa“.) Kann man das nicht nachweisen, so kommt noch Vollrausch als Straftat in Betracht, Paragraph 323 a. Danach wird bestraft, wer sich vorsätzlich oder fahrlässig in einen Rausch versetzt und eine Straftat begeht, für die er wegen Schuldunfähigkeit nicht bestraft werden kann.

Übertragen auf den Fall Waldemar O. bedeutet das: Wenn das Gericht sich nicht sicher gewesen wäre, ob Waldemar O. schuldunfähig war, so hätte es nach der Regel „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten) für Vollrausch strafen müssen. Dann wären fünf Jahre Haft das Maximum gewesen. Ist das Gericht aber der Meinung, der Mann ist mindestens eingeschränkt schuldfähig, so darf es nicht für Vollrausch strafen, sondern muss die begangene Tat werten, hier versuchten Mord. Zwei Fragen musste das Gericht dafür klären: Konnte der Täter erkennen, was er tut? Und: Konnte er sein Handeln noch steuern? Hätte das Gericht eine dieser Fragen verneint, so wäre Waldemar O. wesentlich milder davongekommen. fk

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