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Berlin: Der Rentner und der Hiphopper

Türkische Blätter reagieren empört auf Freispruch des Landgerichts

Jeden Montag im Tagesspiegel: ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen.

„Wenn der Mörder Türke gewesen wäre…!“ erregte sich ein Freund des verstorbenen Hiphoppers Atilla Aydin - und die Tageszeitung Türkiye brachte diesen Ausspruch am Sonntag als Überschrift auf ihrer Europa-Seite. Nach dem Freispruch für den 76-jährigen Werner P., der den türkischen Musiker - nach Überzeugung des Landgerichts - aus vermeintlicher Notwehr in Köpenick erstochen hatte, schlugen die Emotionen bei zwei türkischen Zeitungen besonders hoch.

Aber genauso wie die Hürriyet kam auch die Türkiye nicht über Spekulationen hinaus. Beide Zeitungen zitierten lediglich den deutschen Freund von Atilla im Zusammenhang mit ihrer Vermutung, das Landgericht Berlin habe mit zweierlei Maß geurteilt, als es den deutschen Rentner freisprach: „Wenn ein Türke die Tat begangen hätte, wäre er nicht so schnell freigekommen.“

Es gab keine Kommentare und auch keine analytischen Texte, die diesen Verdacht erhärten könnten. Statt dessen nur harte Worte: „Er ist alt, aus dem Osten und deshalb ist es normal, dass er tötet“, stand am Sonnabend in großen Buchstaben auf der ersten Seite der Europa-Beilage der Hürriyet zum Aufmacher.

Die Boulevardzeitung reagierte auf das Urteil mit diesem überspitzt formulierten Zitat aus der Urteilsbegründung und fünf verschiedenen Texten. In den Unterzeilen erklärte die Zeitung die Überschrift so: „Der 76-jährige Deutsche, der in Berlin den 33-jährigen Musiker Atilla Aydin durch einen Stich ins Herzen getötet hatte, ist freigesprochen worden. Die Richterin sagte: ,Der Mann hat den Zweiten Weltkrieg und die DDR erlebt. Deshalb ist es verständlich, dass er anders reagiert und sich verteidigt, wenn er in Panik gerät’.“ Das Zitat des deutschen Freundes brachte die Hürriyet als eigenen Text. Die Argumente, die die türkischen Blätter lieferten, um das Gericht zu überführen, waren in der Tat mager - aber sie gaben die Stimmung unter vielen Berliner Türken wieder.

Suzan Gülfirat

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