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Berlin: Der Schrecken aus der Dose

An der Graffiti-Ausstellung „Backjumps - The Live Issue #2“ im Bethanien scheiden sich die Geister

Der Mariannenplatz sieht aus wie ein Abenteuerspielplatz. Junge Männer nageln Bretter zusammen. Bohrmaschinen jaulen. Mit etwas Fantasie ist bereits ein dreidimensionaler Schriftzug zu erkennen. Was dort entsteht, ist die „City of Names“ und Bestandteil der am Freitag eröffnenden Ausstellung „Backjumps - The Live Issue #2“. Im Kreuzberger Kunstraum Bethanien wird bis zum 16. Oktober Street Art von mehr als 40 internationalen Künstlern ausgestellt.

Dass die Ausstellung von CDU-Politikern und dem Verein „Nofitti“ in Zusammenhang mit der illegalen Schmiererei und Sachbeschädigung gestellt wird, kann Stéphane Bauer, Leiter des Kunstraums Bethanien, nicht nachvollziehen. „Viele der Künstler stellen in Galerien in New York oder Paris aus. Sie verkaufen ihre Bilder für Tausende von Euro.“ Auch in Kunstkreisen sei die Ausstellung akzeptiert. Das zeigen die Einladungen zum „2. Berliner Kunstsalon“ in der Arena und ins Goethe-Institut nach Tokio. Der Hauptstadtkulturfonds deckt mit 35 000 Euro etwa die Hälfte der Kosten. Den Rest zahlen Sponsoren.

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Frank Henkel, forderte gestern Kultursenator Flierl auf, dem Projekt die Förderung zu entziehen. Dazu sieht Kulturverwaltungs-Sprecher Thorsten Wöhlert keine Veranlassung. „Die Veranstalter haben ihr Projekt schlüssig erläutert und distanzieren sich von illegalen Graffiti“, sagt er. „Man muss differenzieren zwischen Tags, Scratchings, politischen Schmierereien und Straßenkunst. Radikale Graffiti-Gegner wie der Verein ’Nofitti’ scheren alle über einen Kamm“, sagt Stéphane Bauer. Karl Henning, der sich als Vorsitzender des „Nofitti e.V.“ für eine saubere Stadt ohne illegale Graffiti einsetzt, will sich die Ausstellung nicht ansehen. „Es wird zum Beispiel ein Film über illegale Aktionen gezeigt. Dafür darf es keine öffentlichen Gelder geben.“ Wer legal sprühe, genieße in der Szene kein Ansehen.

Kurator Adrian Nabi stand vor zehn Jahren selbst wegen Sachbeschädigung in 49 Fällen vor Gericht. „Ich gab damals das Sprühen auf, weil ich noch nie gut malen konnte, und gründete das Magazin ,Backjumps’.“ Sein Magazin, das vor zwei Jahren das letzte Mal mit einer Auflage von 10 000 Stück erschien, zeigt keine beschmierten Züge, sondern beschäftigt sich mit Kunst und Design. „Die Szene hat ihre Ursprünge in der Illegalität“, sagt Nabi. Er selbst finde viele Graffiti, die er auf der Straße sehe, hässlich. „Wir verstehen unsere Aufgabe darin, jungen Sprühern ein Selbstwertgefühl für ihre Kunst zu vermitteln und legale Wege aufzuzeigen.“

Die „Backjumps“-Ausstellung thematisiert aber nicht nur Graffiti. Schablonenkunst, Cut-Outs, Installationen, Filme, Diskussionen, Stadtrundgänge und die Gestaltung von drei Brandschutzfassaden an Kreuzberger Spielplätzen gehören zum Programm. Im Hebbel am Ufer tanzen am 14. und 15. Oktober Breakdancer. Es wird Workshops für Schulklassen und Senioren geben.

Die Verschärfung des Graffiti-Gesetzes (siehe Kasten) halten beteiligte Künstler wie „Akim“ für unsinnig. „Das führt höchstens dazu, dass Jugendliche kriminalisiert werden. Als diese Kultur entstand, kümmerte sich auch niemand um drohende Strafen.“

„Backjumps – The Live Issue #2“, Vernissage 19.8. ab 19 Uhr, Ausstellung 20.8.-16.10., Dienstag bis Sonntag 12-19 Uhr, Führungen donnerstags 16 Uhr, Eintritt frei, weitere Informationen unter www.backjumps.org

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