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Berlin: Der Schwatz der Sierra Madre

Cannabis gehöre verboten, plauderte Klaus Wowereit in einer mexikanischen Talk-Show. Damit brachte er sogar Parteifreunde gegen sich auf

Spot an, fast 24 Stunden lang. Mal geht’s ums Rudern, dann um die Oper oder auch die Ostalgie-Welle – im mexikanischen Scheinwerferlicht plaudert Klaus Wowereit gern. Die Mexikaner lieben den Bürgermeister aus Berlin und das, was er ihnen so alles erzählt, doch bei den Daheimgebliebenen kam sein jüngster Exkurs zur Drogenpolitik überhaupt nicht gut an. „Der soll mal den Koalitionsvertrag lesen!“, schimpft Thomas Kleineidam, der drogenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Und Minka Dott, seine Kollegin von der PDS, legt nach: „Das hätte er sich wirklich verkneifen können!“

Was war? Wowereit hatte eine Talkshow beim Privatsender „Televisa“ besucht, wo der Moderator stets mit grüner Perücke und roter Gumminase seine Gäste empfängt. Vielleicht wirkten Berlin, das Abgeordnetenhaus und die Koalition sehr fern, als Wowereit überraschend bekannte, „dass ich persönlich gegen die Freigabe von Haschisch bin“. Drogen gehörten verboten, „denn wir müssen aufpassen, dass junge Leute nicht in die harte Drogenszene abrutschen“. Vertraute Töne – allerdings eher von Seiten der CDU.

Und die gilt, jedenfalls was die Drogenpolitik betrifft, im Abgeordnetenhaus als Außenseiter. Ob FDP, PDS, SPD oder Grüne, alle wollen den Umgang mit Cannabis erleichtern. Dem gerade erst von der FDP initiierten Antrag, den Besitz von bis zu 15 Gramm des Rauschgiftes nicht mehr unter Strafe zu stellen, war von einer ganz großen Mehrheit unterstützt und in den Fachausschuss verwiesen worden. Die Grünen hatten schon zuvor die Freigabe von 30 Gramm Cannabis beantragt. SPD-Drogenexperte Kleineidam ist deshalb „nicht glücklich“ über Wowereits Vorstoß. Er bleibt dabei: „Wir werden die Anträge von der FDP und den Bündnisgrünen sehr wohlwollend beraten.“

Die Antragssteller reagieren mit Hohn: „Einem Clown hat sich der Regierende Bürgermeister im fernen Mexiko offenbart!“, spotten die Grünen. „Zwischen zwei Corona-Bieren!“, die FDP. Wowereit habe mit seiner Erklärung die einhelligen Expertenmeinungen für falsch erklärt und damit ein drogenpolitisches Chaos beim Senat angerichtet. Die CDU hingegen freut sich als lachender Fünfter: „Wenn Reisen den Horizont des Regierenden erweitern und er zu derartigen Einsichten kommt, hat er unsere Unterstützung.“

Tatsächlich galt die rot-rote Koalition bislang nicht gerade als Hardliner, was Cannabis & Co betrifft. In ihrem Koalitionsvertrag gelobte sie 2002 zu prüfen, „inwieweit der Besitz einer für den Eigenverbrauch bestimmten Menge sowie die Abgabe geringer Mengen weicher Drogen entkriminalisiert werden könne“. In Mexiko City hat Wowereit jetzt offenbar die Prüfung abgeschlossen, den Dissens will die PDS-Drogenexpertin nach seiner Rückkehr pädagogisch angehen: „Wir werden mit Wowereit arbeiten müssen.“

Und da gibt es noch jemanden, der sich über die Talkshow mächtig geärgert haben dürfte: Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (PDS), die seit jeher als Vertreterin einer liberalen Drogenpolitik gilt. Doch an der Bürgermeister-Schelte will sie sich nicht beteiligen: „Ich werde weiterhin unaufgeregt diskutieren, wie wir zur Entkriminalisierung des Gebrauchs weicher Drogen kommen“, sagt Knake-Werner. Weiterhin, unaufgeregt – es klingt, als habe sie sich an die Fusseln schon längst gewöhnt.

REISETAGEBUCH

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