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Berlin: Der Selbstmord wurde im Internet angekündigt

Nach dem doppelten Freitod vom Teufelsberg wird über Suizid-Foren diskutiert

Von

Von Sandra Dassler

und Werner Schmidt

Er hatte die Rückfahrkarte in der Tasche: Der 16-jährige Jugendliche aus Baden-Württemberg, der am vergangenen Wochenende gemeinsam mit einer 21 Jahre alten Berliner Studentin an der Teufelsseechaussee in den Tod ging, entschloss sich möglicherweise erst in Berlin zum Freitod. Er kam aus Tauberbischofsheim und war am Sonnabendmittag am Bahnhof Zoo aus dem Zug gestiegen. Die Fahrkarte nach Hause fand die Kripo in der Tasche des Jugendlichen. Das Kleinkalibergewehr, mit dem er auf einem Parkplatz nahe dem Teufelsberg in Charlottenburg im Auto der jungen Frau erst sie und dann sich selbst erschoss, hatte er offenbar von zu Hause mitgebracht. Wie er in den Besitz der Waffe gelangte, ist noch ungeklärt.

Die nach einer gescheiterten Beziehung von Freunden als depressiv beschriebene Studentin aus Charlottenburg und der wegen seiner Selbstmordgedanken in Behandlung befindliche Jugendliche hatten sich über das Internet kennen gelernt – in einem so genannten Selbstmord-Chat-Room. In diesen Internetforen, die es zu den unterschiedlichsten Themen gibt, treffen sich Gleichgesinnte und sprechen über bestimmte Themen. Der 16-Jährige soll auch seine Gedanken zum Freitod ins Internet gestellt haben.

Nachdem in den vergangenen Jahren mehrfach Fälle bekannt wurden, bei denen sich Jugendliche via Internet zum gemeinsamen Selbstmord verabredeten, warnen einige Psychiater vor den Suizid-Foren im Internet. So erhalte man da Tipps zur Beschaffung von Waffen oder von Gift. Experten weisen allerdings zum einen darauf hin, dass es per Gesetz unmöglich sei, die Foren zu unterbinden, zumal die Betreiber der selbstmörderischen Chats meist im Ausland sitzen. Zum anderen könnten solche Internet-Foren den betreffenden Jugendlichen auch helfen. So bieten inzwischen manche Psychologen ihre Hilfe direkt in den Foren an.

In Deutschland setzen jährlich zwischen zehn- und zwölftausend Menschen ihrem Leben ein Ende – das sind mehr, als durch Verkehrsunfälle, Drogen und Aids zusammen umkommen. Im Jahr 2000 wurden 11 065 Suizide registriert, 745 davon wurden von Jugendlichen begangen. In Berlin brachten sich im selben Jahr 41 junge Menschen um. Psychologen vermuten, dass die Dunkelziffer viel höher liegt. So seien Selbstmorde gerade bei Jugendlichen oft als Unfälle getarnt.

Fast immer gibt es Signale, mit denen junge Menschen ihre Umgebung alarmieren möchten. Experten raten dazu, diese „Hilferufe“ ernst zu nehmen und sich gegebenenfalls professionelle Unterstützung zu suchen. Das Thema Suizid passe nicht in die Leistungsgesellschaft und werde deshalb tabuisiert, sagen Therapeuten. Selbstmord von Angehörigen wird auch in den Familien oft verdrängt, weil es oft mit Schuldgefühlen behaftet ist. Das gilt ganz besonders für Eltern, deren Kinder sich selbst töteten.

Hilfe für suizidgefährdete Jugendliche: www.neuhland.de

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