zum Hauptinhalt

Berlin: Der Star hatte Ärger mit der „Möwe“ Archiv des DDR-Künstlerklubsgesichtet: Briefwechsel Manfred Krugs entdeckt

Einmal, es war 1964, wollte der Schriftsteller Martin Walser bei seiner Lesereise auch den bekannten Ost-Berliner Künstlerklub „Die Möwe“ besuchen. In der Luisenstraße war alles gespannt und gut vorbereitet, der prominente Gast „von drüben“ konnte kommen.

Einmal, es war 1964, wollte der Schriftsteller Martin Walser bei seiner Lesereise auch den bekannten Ost-Berliner Künstlerklub „Die Möwe“ besuchen. In der Luisenstraße war alles gespannt und gut vorbereitet, der prominente Gast „von drüben“ konnte kommen. Aber er kam nicht. Die Oberen hatten mit einem Mal kalte Füße, eine Diskussion mit Martin Walser passte nicht ins kleinkarierte kulturelle Halbwelt-Bild. Also lud man den Schriftsteller wieder aus. Begründung: Die Möwe sei plötzlich „wegen dringender Renovierung“ geschlossen. Walser blieb zu Hause und dachte sich sein Teil, ein paar Funktionäre freuten sich über diesen Sieg im ideologischen Kampf, andere waren beschämt.

„Dies ist nur eine von vielen Geschichten, die wir jetzt bei der Aufarbeitung des Archivs der Möwe gefunden haben“, sagen Susanna Poldauf und Imke Küster. Erstere ist Geschäftsführerin des Künstlerklubs Die Möwe e. V. und versucht beharrlich, mit einer Reihe interessanter Veranstaltungen die Möwe wieder zur „Plattform für Kunstinteressierte aus ganz Berlin“ zu machen, Imke Küster durchforstet als Archivarin die Interna von einst, Briefe und Bekundungen, Befehle und Belehrungen – jede Menge Stoff in 60 Jahren Möwe. Am 15. Juni 1946 war der damals noch Gesamtberliner Treffpunkt der Schauspieler und Schriftsteller mit Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht aus der Taufe gehoben worden, er war immer etwas Besonderes, wie die Fotoalben und dicken Folianten zeigen. Die Gästeliste des Eröffnungsabends liest sich wie das Who’s who der damaligen Szene: Hans Albers, Ernst Busch, Gustav Knuth, Ernst Legal, Paul Wegener, Eduard von Winterstein, Friedrich Wolf.

Nach dem 17. Juni 1953 wurde der Klub für ein Jahr geschlossen und dann durch seine Angliederung an den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) politisch an die Kandare genommen. Die Räume und das Restaurant im Bülowschen Palais, dem heutigen Sitz der Landesvertretung Sachsen-Anhalt, sahen dennoch frohe Feste. Dabei hatte die Leitung alle Mühe, Sitte und Ordnung zu wahren, so wie sie es verstand. Der junge Schauspieler Manfred Krug bekam am 21. Februar 1959 vom damaligen Direktor des „Clubs der Berliner Bühnen- und Filmschaffenden“ einen Brief, in dem er ersucht wird, „unter keinen Umständen mehr als zwei Gäste in den Club einzuführen“. „Manne“ Krug hatte es gewagt, fünf Gäste mitzubringen, „und die blieben nach Ihrem Weggang noch im Club. Das entspricht nicht unserer Hausordnung. Bitte, richten Sie sich unbedingt danach.“

Manfred Krug stellt in seiner Erwiderung klar: „Heute sitzen hier haufenweise ,Klubmitglieder’, von denen der Teufel weiß, wer ihnen die Ausweise ausgestellt hat. Jedenfalls halte ich die Gäste, die ich hin und wieder mitbringe, für würdiger als einen großen Teil der heute anwesenden Mitglieder, die weder mit dem Film, noch mit der Kunst überhaupt so viel zu tun haben wie ich etwa mit der Raketenforschung.“

Nach dem Protokoll einer Arbeitsbesprechung im Dezember 1963 empörte sich ein Schauspieler auf einer Gewerkschaftstagung darüber, dass die Möwe „ein Puff“ sei, was wiederum den Möwe-Chef Paul Dornberger erboste: Die Erziehung der Künstler, die in der Nachtbar des Klubs ein Dolce vita entwickeln, sei schließlich nicht die Aufgabe des Klubs, stellte er klar. Über all das und vor allem über die kulturelle Blüte der 60-jährigen Möwe soll es eine Ausstellung geben, an der sich jeder beteiligen kann: Wer Bild- und Textmaterial oder Anekdoten rund um das Geschehen in der Luisenstraße 18 hat, möge es dem Künstlerklub unter der Telefonnummer 2043789 mitteilen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false