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Berlin: Der Strahlemann

Sergej Dott ließ Kühe die Wand hochgehen und Riesenrosen wachsen. Nun illuminiert der Künstler ein Haus an der Kollwitzstraße

Die Fassade leuchtet und blinkt, Lichtkreise flirren durch die Nacht, Prenzlauer Berg grüßt mit Bilderrätseln, die zu entschlüsseln sind. Erinnern wir uns: Vor fünf Jahren liefen am Giebel vom renovierten Altbau-Mietshaus Kollwitzstraße 18 plastisch hervorstechende Kühe entlang, „Kuhuunst“ nannte sich das. Nun hat der Berliner Installationskünstler Sergej Alexander Dott erneut zugeschlagen: Mit freundlicher Unterstützung des Hausbesitzers und des Kulturamts gelang es ihm nach einjähriger Vorbereitung, auf einer Fläche von 84 Quadratmetern zwölf Tafeln so zu bemalen und mit leuchtenden Neonröhren zu bestücken, dass der Passant ins Grübeln und zum Nachdenken kommt und fragt: Ist das Werbung? Spielerei? Unsinn? Übermut? Straßenkunst? Und – was will uns der Meister damit sagen? Vor einem Jahr, als Dotts riesige Rosen auf dem Potsdamer Platz erblühten, war die Sache ziemlich klar. Die Daimler-Seite des Platzes feierte mit den „Himmelsblumen“ ihr fünfjähriges Bestehen, und die Rosen sahen eben wie Rosen aus. Aber hier?

Die Collage an dem Giebel nahe der U-Bahn-Station Senefelderplatz nennt sich „Wilde Natur“. Sie sei „eine augenzwinkernde Anspielung auf die Irrungen und Wirrungen des Menschseins“. Aus feuerrotem Magma im Keller blubbert das pralle Leben auf fruchtbarer Erde mit Nacht und Tag, Liebe, Herztod und Lusthunger. Das Entschlüsseln der lebhaften Fassadenkunststücke soll einfach Spaß machen, zum Denken und Diskutieren anregen und schließlich zum „Punkt der Erleuchtung“ führen. Die Wand ist eine durch blinkende Neonröhren lebhaft gemachte Comic-Seite, „die Leute sollen entscheiden, ob das, was sie da sehen, für sie wichtig ist oder nicht, und wenn sie nicht vorbeilaufen, ist das Ziel schon erreicht“, sagt Sergej Dott und hält es dabei mit Brecht: Man müsse ernste Dinge heiter sehen können und heitere ernst.

Sergej? Ein Russe? Der Mann mit den blonden Locken im vollschwarzen Künstlerlook wurde 1959 in Berlin geboren, der Vater war russischer Emigrant, die Mutter Wienerin. Sergej lernte zunächst in Hedwig Bollhagens Töpferwerkstatt und studierte ab 1983 Bildhauerei in Dresden und an der Kunsthochschule Weißensee. 1988 arbeitete er als Aspirant bei Baldur Schönfelder an der Berliner Kunsthochschule, 1990 geht er nach Wien in die Bildhauer-Meisterklasse von Alfred Hrdlicka. Seit 1991 arbeitet er freischaffend in Berlin, reist nach Japan, Venezuela, Russland, Polen, Frankreich und Spanien, aber kommt immer wieder in seine Heimatstadt, die ihm Ausstellungsräume öffnet und zu immer neuen großflächigen Projekten inspiriert.

Ein Jahr lang bilderrätselt es nun in der Kollwitzstraße, und wer das Projekt fördern möchte, kann eine Kunstaktie für 160 Euro erwerben. Dann wird sein Name an die Fassade geschrieben, und er erhält obendrein eines von 250 handsignierten Lichtobjekten. Näheres über diese Grafikedition ist unter der Telefonnummer (0171) 4027538 zu erfahren.

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