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Berlin: Der Tiefstapler

Schauspieler Hans-Jürgen Schatz macht Boulevardtheater. Seine Liebe gehört der Rezitation

Die immensen Papierstapel in seiner Wohnung hat er beseitigt. Jahrelang hatten sich Manuskripte angesammelt, wurden überall in der Wohnung gehortet. Bis die kurzfristige Einladung kam, Prokofieffs „Peter und der Wolf“ zu lesen, in ein paar Tagen schon. Hans-Jürgen Schatz findet seine Manuskripte jetzt beim ersten Griff – in den flachen Schubladen eines neuen Regals. Die Wohnung des Berliner Schauspielers gleicht nun dem passabel aufgeräumten Büro des „Fahnders“ aus der gleichnamigen Krimireihe. In 90 Folgen war er zu sehen, und vermutlich kennen die meisten Deutschen ihn vor allem aus Fernsehserien. Literatur-Liebhabern aber ist er vor allem als Rezitator bekannt. „Lesen, das ist eine alte Liebe“, sagt er. Ludwig Tiecks „Die schöne Magelone“ etwa. Oder eben Prokofieffs „Peter und der Wolf“. Mit beiden Werken ist er am Wochenende in Berlin zu sehen und zu hören.

Für Prokofieff blieb nicht viel Vorbereitungszeit. Bis Anfang der Woche war Schatz zwei Monate auf Lese- und Theatertournee. Unterwegs erreichte ihn ein Anruf aus der Deutschen Oper: 12. Dezember, Christian Thielemann dirigiere das Orchester der Oper bei einer Benefiz-Matinée zugunsten der Bürgerstiftung. Ob er den Erzähler in „Peter und der Wolf“ lesen könne? Klar konnte er, wollte er auch. Er hat den Text so viele Male vorgetragen. Bloß dauerte es eben, bis er seine Lesefassung fand. Die Manuskripte werden wohl auch künftig nicht weniger. Der Schauspieler, der 1978 debütierte, in 80 Kino- und Fernsehfilmen mitgewirkt hat und dem die Rolle im „Fahnder“ den renommierten Grimme-Preis einbrachte, widmet sich gerne der Rezitation. Tourt mit Jean Paul, Erich Kästner, Oscar Wilde und E.T.A. Hoffmann. Macht 50 Lesungen im Jahr, Hörbuch-Produktionen. Und spielt Theater: 100 Aufführungen, auch Boulevardstücke wie in der Komödie am Ku’damm.

Arbeitsstress? Damit verfährt er wie neuerdings mit Manuskripten: Er stapelt tief. „Empfände ich das alles nur als Arbeit, würde ich die Hälfte ablehnen. Ich bin eigentlich faul. Am liebsten mache ich nichts.“ Trotzdem wird er in nächster Zeit wohl vorbereitet Klassiker vortragen. „Peter und der Wolf“, sagt Schatz, „kann man schwach interpretieren. Aber kaputt machen, das geht nicht.“ Hat er auch nicht vor. Da wird er nicht groß experimentieren. Die „Magelone“ wird etwas Besonderes. „Zum ersten Mal singt sie ein Mezzosopran.“ Beunruhigen muss das niemanden. Der Mezzosopran gehört Doris Soffel, die mit den namhaftesten Dirigenten gearbeitet hat. Zudem, das sagt Schatz selbst, hat die Dame so viele Hosenrollen gesungen, dass ein Männerzyklus sie nicht überfordert.

Alles in allem müsste Hans-Jürgen Schatz eine problemlose Zeit bevorstehen. Sollte er für kurzfristige Zugaben gebucht werden: Er weiß ja, wo er die Manuskripte findet.

„Peter und der Wolf“, Sonntag, 11 Uhr, Mercedes-Welt am Salzufer 1, Charlottenburg (Karten: Tel. 0700-6737237546); „Die schöne Magelone“, Montag, 20 Uhr, Kammermusiksaal der Philharmonie (Karten: Tel. 8264727 oder an der Kasse).

Marc Neller

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