zum Hauptinhalt

Berlin: Der ungeliebte Partner punktet

Bei PDS-Kandidatenkür für Bundestagswahl schneidet WASG besser ab als erwartet. Gysi an der Spitze

Der Dämpfer kam am Schluss. Dabei hatte sich die Berliner PDS-Führung für die gestrige Kandidatenkür alles so schön ausgedacht. Sie hatte eine Liste für die Bundestagswahl vorgeschlagen, auf der die ersten sechs aussichtsreichen Plätze eigenen Kandidaten vorbehalten waren. Erst auf dem aussichtslosen Platz Sieben hatten Parteichef Stefan Liebich und seine Vorstandskollegen einen Kandidaten des aus bundespolitischen Erwägungen zähneknirschend akzeptierten Partners Wahlalternative (WASG) platziert.

Und was macht die PDS-Basis? Sie verschafft der WASG kurz vor Ende der Landesvertreterversammlung im Friedrichshainer Energieforum am Ostbahnhof einen symbolischen Sieg, indem sie den PDS-Kritiker Ralf Krämer von der WASG als Kandidaten für Platz Sechs nominiert und die PDS-Kandidatin Evrim Baba auf den wohl chancenlosen siebten Platz verweist.

Parteichef Stefan Liebich trug es mit Gelassenheit, dass die gut 120 Landesvertreter seiner PDS einen Kandidaten jener Partei beförderten, die er vor einigen Wochen noch als „Gurkentruppe" verspottet hatte. Viel wichtiger als Krämers symbolischer Sieg ist für Liebich, dass die ersten fünf Kandidaten auf der Landesliste seinen Wünschen entsprechen – was vor allem bei einem Bewerber vorübergehend nicht unbedingt zu erwarten war.

Für einen Wunschkandidaten der PDS-Führung wurde es nämlich ziemlich knapp. Hakki Keskin, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, war bei der Vorstellung auf scharfe Kritik vor allem bei West-Berliner und kommunistischen Delegierten gestoßen, die ihm eine zu große Nähe zur türkischen Regierung vorwarfen – was er zurückwies. Am Schluss konnte sich der derzeit noch in Hamburg lebende Politikprofessor aber durchsetzen und landete mit 59 Prozent der Stimmen auf Platz Vier der Landesliste. Das wiederum versetzte der WASG einen Dämpfer. Sie hatte Keskin scharf kritisiert und die von der PDS im Streit geschiedene Reinickendorfer Bezirkspolitikerin Renate Herranen gegen ihn aufgestellt. Herranen bekam jedoch nicht einmal zehn Prozent.

Dass Liebich die WASG nach wie vor mit gemischten Gefühlen sieht, war schon zu Beginn deutlich geworden, als der PDS-Chef den als Gäste gekommenen WASG-Kandidaten – darunter viele im Streit gegangene ehemalige PDS-Funktionäre – einen eher distanzierten Empfang bereitete. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten appellierte Liebich aber an seine Partei und die WASG, sich für den Wahlkampf zusammenzuraufen, „damit es in Deutschland wieder eine Opposition zur Politik von Hartz IV und Agenda 2010 gibt". Ähnlich pragmatisch bilanzierte er auch die Wahlergebnisse als „Stärkung unserer Zusammenarbeit".

Keine Dissonanzen, sondern großen Jubel erzeugten die drei ersten Kandidaten auf der PDS-Liste. Gregor Gysi pries sich als Köpenick-Treptower Lokalpatriot, der aber „Gesamtpolitik" machen will. Er distanzierte sich einerseits empört von der SED, um im nächsten Atemzug als Replik auf Jörg Schönbohms Proletarisierungsthese die DDR dafür zu verteidigen, dass es in ihr „weniger Gewalt als in der BRD" gegeben habe. Die Delegierten feierten ihre Galionsfigur und wählten Gysi mit 113 von 122 Stimmen auf Platz 1 ihrer Landesliste. Auf den Plätzen 2 und 3 folgten die beiden PDS-Politikerinnen Petra Pau und Gesine Lötzsch. Listenplatz 5 ging an die Friedrichshain-Kreuzberger PDS-Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false