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Berlin: Der Unterhalter

Helmut Baumann feiert nach sechs Jahren wieder eine Premiere in der Heimat – mit „Swinging Berlin“

Es ist eine klassische Verhörszene dort auf der Bühne. Ein gebrochenes Opfer, ein martialischer Gestapo-Beamter, Halbdunkel. Helmut Baumann sitzt, weit vornübergebeugt, auf seinem Regie-Klappstuhl. Er achtet nicht so sehr auf die Gestik der Schauspieler oder auf die Betonung ihres Textes. Er achtet auf ein Detail. „Es kommt auf eure Augen an“, sagt er am Schluss, „ich will eure Augen sehen.“ Die Probe ist zu Ende. Er zieht sein Jackett an: „Es geht mir nicht darum, meinen Regie-Daumen überall draufzudrücken.“ Das ist dem 66-Jährigen nicht mehr wichtig. Aber die Details sollen trotzdem stimmen.

Fast sechs Jahre, nachdem er als Intendant im Theater des Westens zurücktrat, führt Helmut Baumann wieder in Berlin Regie, im Theater am Kurfürstendamm. „Swinging Berlin – Tanzen verboten“ heißt das Musical. Am Sonntag ist Premiere. „Von dem Stück wusste ich nicht viel mehr, als dass es in Hamburg ganz ordentlich gelaufen war“, sagt Baumann beim Feierabendbier. Es erzählt eine frei erfundene Geschichte aus einer sehr realen Szene in den 40er Jahren, der Szene der Swing-Kids. Sie hörten verbotene Musik und schworen, sich nicht anpassen zu wollen. Eine Rahmenhandlung, die Baumann sofort gefiel. „Ich will unterhalten durch Erkennen“, sagt er, „es muss mehr sein als nur Tanderadei.“ Eine Anspielung auf die aktuelle Musicalkost ist das. Baumann: „Die neuen Inszenierungen in Berlin folgen allzu oft der Dramatik von Seifenopern.“ Schwingt da eine Wehmut nach seiner Zeit an der Kantstraße mit? „Überhaupt nicht. Das ist wie mit einer Liebe, die vorbei ist – erledigt.“ Er ist froh, „nicht Theater auf dem Schoß der Abonnenten“ machen zu müssen. Den Job im Theater des Westens hat er seiner Meinung nach zur richtigen Zeit an den Nagel gehängt. „Ich wollte mich nicht selber abschaffen.“ Stattdessen fand er eine neue künstlerische Heimat am Stadttheater Bremen, führte Regie bei fünf Musicals hintereinander.

Darunter auch Klassiker, die er während seiner 15 Jahre als Hausherr in Berlin inszenierte. „Cabaret“ und „La Cage aux Folles“, aber auch „Kiss Me Kate“ und „My Fair Lady“ gehörten zu seinen größten Erfolgen am Theater des Westens. Besonders wichtig waren ihm dabei die Figuren, die sich nicht unterordnen wollten. Zum Beispiel die Zaza in „La Cage aux Folles“, die zu seiner Paraderolle wurde. „Swinging Berlin“ behandelt wieder eine ähnliche Thematik. „Die Botschaft ist ganz einfach“, erklärt Baumann: „Lasst euch nicht gleichschalten. Lebt eure Träume, auch wenn sie illegal sind.“

Berlin im Krieg, der Nazi-Terror, das klingt nicht unbedingt nach einem Hintergrund für einen lustigen Musical-Abend. „Das täuscht“, sagt Baumann, der selber in dem Stück auch mitspielt, und prophezeit: „Die Zuschauer werden sich glänzend unterhalten. Das Stück vermittelt ein positives Lebensgefühl.“ Neben der politischen Botschaft geht es natürlich auch um Herzschmerz. Denn die Teenager, die im Mittelpunkt stehen, interessieren sich nicht nur für Swing, sondern auch fürs andere Geschlecht. Die Politik kehrt zurück in die Handlung, als Emma auftaucht, die als Jüdin Hilfe sucht. Dass das Stück im Vorfeld des 60. Jahrestags des Kriegsendes läuft, sagt Baumann, „ist reiner Zufall“.

Die Show ist eine Produktion des Hamburger „Tivoli“. Dort lief sie 2001 monatelang vor ausverkauftem Haus. Allerdings spielt das Stück statt auf St. Pauli jetzt in Berlin. Auch wenn es Zeit und Thema nahe legen, ein Historical wie die „Comedian Harmonists“ werden die Zuschauer nicht erwarten dürfen. „Wir haben auch keine Benny-Goodman-Gassenhauer“, sagt Baumann, „sondern ausschließlich neue Musik.“ Sagt’s und fängt zu schwärmen an von Martin Lingnau und seinen Kompositionen. Und dann bestellt er noch ein Bier, ehe er zeitig nach Hause, in seine Wohnung in einer Ku’damm-Seitenstraße geht. Bis zur Premiere ist nicht mehr viel Zeit.

„Swinging Berlin – Tanzen verboten“, Sonntag Premiere, bis 10. April im Theater am Kurfürstendamm. Kartentelefon: 88591188.

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