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Berlin: Der Unvollendete

Hellersdorf ist 20 Jahre alt. Ein Annäherungsversuch

Die Festansprache des Bezirksbürgermeisters ist verhallt, die Hüpfburgen sind eröffnet, die Geburtstagsparty läuft an: Hellersdorf wird 20 Jahre alt an diesem 1. Juni. Jener inzwischen mit dem sieben Jahre älteren Marzahn fusionierte Bezirk im Nordosten der Stadt, der von der West-City gesehen kurz vor Moskau liegt. Zeit für einen Annäherungsversuch.

Am besten, man nimmt die U5, die vom Alex keine halbe Stunde unterwegs ist bis zur „Hellen Mitte“. Auf halber Strecke taucht sie aus ihrem Tunnel auf, kreuzt das wunderbar grüne Wuhletal, passiert Kuriositäten wie die oberirdisch verlegten Fernwärmerohre. In der Hellen Mitte versammeln sich Rathaus, Einkaufszentrum, Klinik und eine Fachhochschule für Sozialarbeit und -pädagogik. Nur dieses Viertel ist erst nach der Wende errichtet worden. Es ist das räumliche Zentrum, nicht aber das Herz: zu grau, zu kalt. Hat Hellersdorf ein Herz?

Wenn ja, versteckt es sich wohl in den sanierten Höfen, in denen Spielplätze auf Kinder warten und Erdgeschossbewohner neuerdings eigene Gärtchen beackern. „Schön“, sagt ein etwa 60-Jähriger, der einen Pudel hinter sich her zieht. „Ich bin Erstbezug“, berichtet er. „Es füllt sich langsam wieder“, nachdem die meisten Blöcke saniert worden sind. Sie sind hier nicht so hoch wie in Marzahn und Hohenschönhausen; fünf, sechs Etagen nur. Dazwischen Kaufhallen und Kitas. In einer Imbissbude sitzen Skins, deren Köpfe schmaler sind als die Hälse. Niemand flaniert; man huscht hier eher. Aber wen man auch fragt: Die Leute mögen die Ruhe, das Grün, die günstigen Mieten. „Es wird auch viel gemacht“, sagen mehrere.

Es gab Hellersdorf schon im Mittelalter: kein Angerdorf wie Alt-Marzahn, sondern ein Gut, von dem graue Feldsteinbauten geblieben sind. Eine Keimzelle. Aber kein Herz, nirgends. Der neue Bezirk für 100 000 Menschen wurde einfach auf die Rieselfelder gesetzt. „Zuerst gab es ja nicht mal Straßen“, sagt der Pudel-Mann. Am Stadtrand sind die Anfänge noch zu erahnen: Büsche und Wiesen, kreuz und quer. Hier sieht Hellersdorf aus, als wäre es noch gar nicht fertig.

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