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Berlin: Der Wahn, berühmt zu sein

Was die Täter antreibt

Psychologen befürchten, dass es in nächster Zeit weitere Busentführungen geben könnte. Mit der dritten Geiselnahme in einem Linienbus innerhalb weniger Tage sei „eine Eigendynamik in Gang gekommen, die Trittbrettfahrer hervorlocken kann“, sagt Heiko Sill. Der Psychologe arbeitet als Spezialist für Geiselnahmen bei der Potsdamer Firma „Intelligenz System Transfer“. „Durch das enorme Medienecho wissen potenzielle Täter, dass sie sich so eine große Aufmerksamkeit verschaffen.“ Auch die aktuelle Tat vom Sonntag sei eine Nachahmungstat der vorletzten Busentführung in Bremen vom vergangenen Freitag. Der Bremer Täter wollte wohl über die Öffentlichkeit mit der Terrororganisation Al Qaida Kontakt aufnehmen und sagen: „Ich stehe für euch bereit!“ Ähnlich dachte wohl auch der Berliner Geiselgangster. Es gebe in der Gesellschaft immer ein Reservoir von Personen, die sich unbedingt öffentlich äußern wollten. „Wenn sich demnächst jemand auf einem Marktplatz verbrennt, dann wird es auch hier mit großer Wahrscheinlichkeit Nachahmer geben“, sagt Sill.

Gerade bei Geiselnahmen sei die Polizei immer in einer Zwickmühle. Denn folge sie dem Ruf der Allgemeinheit und gehe härter gegen Geiselnehmer vor – sprich: erschießt sie –, dann schreckt sie vielleicht die Trittbrettfahrer ab, die Aufmerksamkeit wollen. Dafür holt sie dann diejenigen heran, die als Märtyrer sterben wollen. So oder so helfe nur eine Strategie: „Keine Aufmerksamkeit.“ I.B.

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