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Berlin: Detektiv-Jahrestreffen: Miss Marple hängt im Netz

Ohne Auge geht es nicht. Auch nicht ohne Schlüsselloch und Fingerabdruck.

Ohne Auge geht es nicht. Auch nicht ohne Schlüsselloch und Fingerabdruck. Die Visitenkarten, die beim Treffen der World Association of Detectives im Hilton am Gendarmenmarkt herumgereicht werden, lassen keine Zweifel zu. Wir haben es mit Leuten zu tun, die Probleme lösen. Meisterdedektive eben, die sich hier eine Woche lang treffen, um über den oft schlechten Ruf ihres Jobs zu reden, strengere Zulassungskriterien zu fordern, und sich nebenbei noch in DNA-Analyse, Abwehren eines Lauschangriffes oder Datensicherheit im Internet schulen zu lassen.

Auf einem Fernseher im Foyer läuft ein Schulungs-Video, das man für 300 Mark kaufen kann und das einem etwas beibringt über Spionageprävention für Manager. Daneben steht Miss Marple und unterhält sich mit der Dame am Info-Tisch. Sie trägt ein blauweiß gestreiftes Kleid, eine Ledertasche und heißt eigentlich Kathleen Cummings. Seit 1958 arbeitet sie als Detektivin in London. "Heutzutage", sagt sie, "mache ich nur noch die Fälle, die mich wirklich verdienen". Miss Marple lacht. Während des Zweiten Weltkriegs hat sie für die englische Regierung gearbeitet, danach fünf Jahre lang Kaufhausdetektive geschult. Seit 43 Jahren ist sie nun verschwundenen Personen auf der Spur. Plötzlich schaut Miss Marple erschreckt auf den Boden. Ihre Aktentasche! Detective Cummings macht sich auf die Suche.

Für Johnathan Tal, den Präsidenten dieser Berufsvereinigung für Detektive, liegt die Zukunft in einem anderen Bereich. Wirtschaftskriminalität sei der Sektor, in dem die meisten seiner Kollegen tätig seien. Dort sei höchste Diskretion gefragt, und oft ginge es um sehr viel Geld. Tal selbst, ehemaliger Agent des israelischen Geheimdienstes, hat eine Detektei in Silicon Valley, die auf den Schutz von intellektuellem Eigentum spezialisiert ist. Seine Kunden sind Firmen wie Microsoft oder Marriot. Sein letzter Fall war der eines Mitarbeiters, der von seiner Firma entlassen wurde. Am letzten Arbeitstag stellte er alle geheimen Daten, zu denen er Zugang hatte, ins Internet und verschwand. Tal wurde eingeschaltet. Er fand den Mitarbeiter, der schnell alles zugab. Die Firma bot dem Mitarbeiter an, rechtlich nicht gegen ihn vorzugehen, wenn er seine Komplizien nennen würde. Sie war nicht besonders daran interessiert, dass der Vorfall publik wurde. Der Mann willigte ein und der Fall war abgeschlossen.

In der Mehrzahl sind die Detektive Männer zwischen 40 und 50. Dazwischen sieht man aber immer wieder junge Frauen. Viele von ihnen haben einen Abschluss in einem wirtschafts- oder internationalen Studiengang. So wie Radhika. Sie ist 28 Jahre alt und aus Indien angereist. Sie erstellt Firmen-Profile für Interessenten, die in Indien investieren wollen oder recherchiert Versicherungsfälle, in denen die Versicherung von einem Betrug ausgeht. Die Zeit der Trenchcoats und Pfeifen ist vorbei. Nur einmal, sagt der Berliner Detektiv Lothar Mueller, habe er sich verkleidet. Bei der Auklärung eines Mietbetruges, da habe er sich tatsächlich mal eine Perücke aufgesetzt.

Kerstin Kohlenberg

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