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© dpa

Deutsch-Amerikanische Volksfest: Bittere Bilanz in Zehlendorf

Das Deutsch-Amerikanische Volksfest geht zu Ende: Drei Unfälle haben das Image des Events arg ramponiert - zur Unzeit. Denn den Schaustellern wurde gekündigt. An welchem Ort es nächstes Jahr weitergehen soll, ist unklar.

„So was kann mich nicht schocken!“ Thomas Schneider (17), Jeans, schwarzes T-Shirt,dunkle Sonnenbrille und Kopfhörer, aus denen die Band „Cinema bizarre“ hämmert, steht in einer Schlange vor der Kasse des „Stargate“-Karussells und freut sich auf die ersten Überschläge. Auch mehreren Jungen und Mädchen neben ihm macht es nichts aus, dass vor einer Woche einige Stargate-Gondeln wegen eines Defekts plötzlich in der obersten Position stoppten und die Fahrgäste mehr als 30 Minuten lang kopfüber ausharren mussten, bis man sie wieder zum Boden holen konnte.

Es geht hier jetzt nur um den ultimativen Kick. Da nimmt man es im Gedrängel vor dem Stargate auch gelassen, dass sich auf dem diesjährigen Fest noch zwei weitere Zwischenfälle ereignet haben: ein Elfjähriger starb in der Achterbahn einen ungeklärten Tod, ein Kind verletzte sich beim Bungee-Jumping.

Das Volksfest stand unter keinem guten Stern, es ist ins Gerede gekommen. Doch Thomas bezahlt und hebt lässig winkend mit zwanzig weiteren jungen Leuten im Stargate in den Himmel über Zehlendorf ab. Aus Sicht des Chefs der Berliner Schausteller, Harry Wollenschläger, muss er sich keine Sorgen machen. Die Sicherheit der Karussels sei weiter garantiert, sagt er. „Mehr, als den Tüv ständig vor Ort zu haben und unsere Geräte verantwortungsbewusst zu warten, können wir nicht machen.“ Alljährlich werde jedes Fahrgeschäft von Tüv-Experten ausgiebig geprüft. Und vor jedem Neustart auf einem Rummelplatz müsse es ein weiteres Mal zertifiziert werden. Dennoch gesteht Wollenschläger einen „Imageverlust“ ein. Das habe möglicherweise Besucher gekostet. Man müsse jetzt um Vertrauen werben und „die vielen Sicherheitsbemühungen noch besser verdeutlichen.“

Dass am Sonntag, dem letzten Tag des diesjährigen Rummels auf der Truman Plaza an der Clayallee, dort auch eine 49-jährige Volksfesttradition zu Ende geht, ist den meisten Rummelgästen nicht klar. Den Schaustellern wurde ihr gewohnter Platz gekündigt. Ab 2010 sollen hier 60 Townhouses entstehen. Viele Betreiber der Fahrgeschäfte haben deshalb trotz des Kaiserwetters wehmütige Gefühle. Auch eine Tasse frisch gebrühter Kaffee neben der Kasse ihres Kinderkarussells kann Ellen Schlawin nicht aufmuntern. „Schon als Kind war sie mit ihren Eltern „hier immer dabei“. Damals betrieb ihre Familie eine Schießbude, danach verdiente Ellen Schlawin ihr Geld auf dem Zehlendorfer Rummel mit Büchsenwerfen, seit zehn Jahren lässt sie jeden Sommer die Kinderautos kreiseln.

„Bitter“ stimmt sie, dass der Abschied vom Platz von so vielem Unerfreulichen überschattet war. Zum einen wegen der drei Unfälle. Erst starb ein Junge aus bislang ungeklärten Gründen während der Fahrt mit der Achterbahn „Wilde Maus“, dann geschah der Stargate-Zwischenfall, und schließlich verletzte sich ein Kind am Bungeetrampolin, als es auf den Boden neben dem Sprungtuch stürzte.

Schlechte Stimmung verursacht auch der auffällige Besucherschwund auf dem Fest, den Schausteller auf die Finanzkrise zurückführen. Was ihnen aber endgültig die Laune verdirbt, ist die Unsicherheit, ob das 50. Deutsch-Amerikanische Volksfest 2010 überhaupt noch stattfinden kann. Bisher gibt es keinen Ersatzplatz in Berlin für die Jubiläumssaison.

Erstmals wurde das Fest am 29. Juli 1961 eröffnet. Es sollte die deutsch-amerikanische Freundschaft in West-Berlin festigen. „Ein Anliegen, das auch nach der Wende für ganz Berlin weiter gilt“, meint Schausteller-Chef Harry Wollenschläger. Er bemüht sich um ein neues Gelände im Westen oder Süden der Stadt. Der zentrale Festplatz in Reinickendorf komme nicht infrage, „weil er für Zehlendorfer oder Neuköllner Familien zu weit weg liegt.“ Ein „ideales Areal“ hat Wollenschläger schon entdeckt – in der Südwestecke des Tempelhofer Flugfeldes. Doch im Senat fand er bislang keine Befürworter. Die Planer wollen sich in Tempelhof noch auf keine längerfristige Nutzung festlegen. Christoph Stollowsky

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