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Berlin: Deutsch-jüdische Symbiose

Erinnerung an eine große Berliner Familie: die Mendelssohns

Berlin ist gar nicht so. Am Freitagnachmittag versammeln sich im Roten Rathaus gut zweihundert Leute, ein Staatssekretär, ein Potsdamer Professor, der belgische Botschafter wozu? Um, wie der Chef der Senatskanzlei, Staatssekretär André Schmitz, sagte, „gemeinsam etwas zum Ausdruck zu bringen“: eine Geste der Erinnerung für eine große Berliner Familie, die Mendelssohns. Deren Stammvater, Moses Mendelssohn, war im Herbst 1743 in die Stadt gekommen, durchs Rosenthaler Tor, damals der Zugang für Juden und für das Vieh. Von ihm ging in den folgenden Jahrhunderten eine wahre Begabungsexplosion aus – Bankiers, Künstler, Gelehrte, Kaufleute, ein imponierendes Exempel der deutsch-jüdischen Symbiose, ohne die Berlin nicht gewesen wäre, was es war, bis sie 1933 brutal abgebrochen wurde.

Der Anlass war die Enthüllung einer Büste des berühmtesten Familien-Glieds, des Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy, im Säulensaal des Roten Rathauses. Mit ihr soll er künftig teilnehmen – wie Elke von Nieding, die Vorsitzende der Mendelssohn-Gesellschaft, es sich ausmalte – am Disput der preußisch-berliner Größen, der Humboldts und Schinkel, der Minister und Generäle, die dort versammelt sind, in klassizistischen Gipsabgüssen. Der kleine Festakt – Rede des Historikers Julius H. Schoeps, musikalische Umrahmung durch die jungen Künstler Susanne Elle Kirchesch und Ulrich Naudé – war der Höhepunkt eines ganzen Erinnungstages. Am Nachmittag hatte es Kranzniederlegungen gegeben: auf dem Alten Jüdischen Friedhof – für Moses –, auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof – für Felix. Initiator war – neben Schmitz, der dem Rathaus mittlerweile so viel kulturelle Ausstrahlung gibt, dass es selbst in Berlin auffallen müsste – die rührige Mendelssohn-Gesellschaft.

Der Verein ist auch sonst aktiv. Er betreibt mit dem im Sommer gegründeten Arbeitskreis „Geschichtsmeile Jägerstrasse“ lebendige, städtische Erinnerungs-Topographie, zusammen mit den Jägerstrassen-Anrainern, zu denen neben deutschen Institutionen auch der belgische Botschafter Lode Willems gehört. Seit September gibt es vor der Botschaft eine Informationstafel, die Berlin als Mendelssohn-Ort vorführt. Erst vor einer Woche entdeckte die Gesellschaft mit einem Konzert den – nach Felix und Fanny Hensel – dritten Komponisten der Familie, den Spätromantiker Arnold Mendelssohn. Und im Januar wird eine Gedenktafel am Stammhaus Jägerstrasse 51 enthüllt. Rdh.

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