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Berlin: Deutsche Unterstützung fürs Kopftuch befremdet die Türken

Die auflagenstärkste Zeitung und der Türkische Bund sind für ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst

GAZETELER RÜCKBLICK

Jeden Montag im Tagesspiegel: ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen.

Der Appell der Bundesintegrationsbeauftragten gegen ein Kopftuch-Verbot für Lehrerinnen hat auch die türkischen Blätter beschäftigt – aber anders, als man vielleicht erwarten würde. Viele Türken sind nämlich gegen Kopftücher im öffentlichen Dienst. Marieluise Beck (B90/Grüne), die frühere Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU), die Schauspielerin Renan Demirkan und rund 70 andere Frauen aus Politik, Kultur, Gewerkschaften und Kirche veröffentlichten Anfang der Woche ihren „Aufruf wider Lex Kopftuch“. Demnach sollen Lehrerinnen an öffentlichen Einrichtungen, wie zum Beispiel Schulen, Kopftücher tragen dürfen. Viele Bundesländer, darunter auch Berlin, planen derzeit, genau dies zu verbieten.

Die auflagenstarke türkische Tageszeitung Hürriyet bezeichnete den Aufruf der prominenten Frauen am Dienstag als „merkwürdig“. Auch die Tageszeitung Milliyet hatte kein Verständnis dafür. „TBB leistet Widerstand gegen Kopftuch-Unterstützer“, schrieb die Zeitung. Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB), der ein liberaler Interessenverband ist, spricht sich entschieden gegen Kopftücher im gesamten öffentlichen Dienst aus. Gleichzeitig zeigt der TBB auf seiner Internetseite den Aufruf mitsamt den Unterschriften. Am Sonnabend machte die Hürriyet den Widerstand aus Berlin sogar zum Aufmacher ihrer Europa-Beilage. Die Überschrift: „Der Kampf der Frauen“. Dazu zeigte sie eine Aufnahme von den türkischstämmigen Berliner Abgeordneten Dilek Kolat (SPD), Ülker Radziwill (SPD) und Evrim Baba (PDS), die sogar eine Initiative gegen Kopftücher in öffentliche Einrichtungen gegründet haben.

Die Leser der zweitgrößten türkischen Tageszeitung, Türkiye, bekamen dagegen von dem türkischen Widerstand nichts mit. Das fromme Blatt machte lieber die Pressekonferenz von Marieluise Beck zum Aufmacher. In dem relativ langen Text kamen nur die Befürworterinnen des Kopftuchs zu Wort. Die Türkiye-Überschrift war gleichzeitig auch ein Appell: „Hört auf die Besonnenen.“

Auch die Proteste der Berliner Studenten fanden Eingang in türkische Blätter, obwohl sich die Frage stellte, ob sich auch Leser anderswo für das Thema interessieren. Die Hürriyet fand für sich eine Lösung, indem sie die Geschichte zum reichlich bebilderten Aufmacher ihrer Berlin-Beilage machte und drei türkische Studentinnen zu Wort kommen ließ. Sonst berichteten über die Proteste nur noch die auflagenschwache, linke Tageszeitung Evrensel und das pro-kurdische Blatt Özgür Politika – beide täglich und auf dem Titel.

Suzan Gülfirat

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