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Berlin: Deutschpflicht: Fronten verhärten sich

Scharfe Angriffe auf Türkische Gemeinde, die eine strenge Schulhausordnung „nationalistisch“ nennt

Die Deutschpflicht an zwei Berliner Realschulen bleibt stark umstritten. Während sich türkische Verbände, der Berliner Integrationsbeauftragte Günter Piening, Lehrergewerkschaften und Vertreter der Jusos gestern gegen eine derartige Selbstverpflichtung über den Unterricht hinaus aussprachen, verteidigten die ehemalige Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John und Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) die Regelung. Beide distanzierten sich aber von der Idee der niederländischen Ausländerministerin Rita Verdonk, fremdsprachige Laute weitgehend aus der niederländischen Öffentlichkeit zu verbannen.

Diese Idee könne man als „integrationspolitischen Stalinismus“ bezeichnen, sagte John. Zumindest sei der Vorstoß „lebensfremd“. Buschkowsky rät, das Ganze unter der Abteilung „Stilblüten“ abzuheften. Piening nannte die Idee Verdonks „bezogen auf Berlin absurd“.

Verärgert ist Buschkowsky über die Türkische Gemeinde. Dessen Bundesvorsitzender Kenan Kolat hatte in bezug auf die Deutschpflicht an der Herbert-Hoover-Realschule verlauten lassen, derartige Vorschriften gehörten „an Schulen mit nationalistischem Bildungsauftrag“. Buschkowsky sagte dazu dem Tagesspiegel, diese Äußerung dürfe man „nicht ernst nehmen“, denn Kolat sei ein „gnadenloser Opportunist“. Es sei gut, wenn Schulen sich auf Regeln wie die Deutschpflicht in den Pausengesprächen verständigten, denn „eine Generation haben wir schon verloren.“ Barbara John befürchtet, dass die Türkische Gemeinde offenbar Schulen verbieten wolle, derartige Entscheidungen zu fällen. Diese Haltung hänge wohl damit zusammen, dass die Türken „nationalistisch erzogen sind“.

Kolat hatte gegenüber dem Tagesspiegel angezweifelt, dass die Entscheidung an der Schule tatsächlich im Einvernehmen mit den Eltern gefallen war. Diese Vermutung wies der türkische Gesamtelternvertreter der Hoover-Schule, Yener Polat, zurück. „Ich verstehe die ganze Aufregung nicht“, sagte Elternvertreter Polat gestern dem Tagesspiegel. Anders als der bündnisgrüne Abgeordnete Özcan Mutlu könne er nichts Diskriminierendes daran finden, wenn die Schule sich auf den Gebrauch der deutschen Sprache während des Vormittags verständige. Niemand könne wünschen, dass die Kinder nur gebrochen Deutsch sprächen, sagte Polat, der als selbstständiger Gebäudereiniger seit 25 Jahren in Deutschland lebt und die Sprache gut beherrscht.

Der Integrationsbeauftragte Günter Piening hingegen befürchtet, dass „ein Sprachverbot nur eine Verhinderung von Sprechen bringt“. Er glaubt, dass die Pausengespräche leiden, wenn die Lehrer darauf achten, dass die Schüler Deutsch sprechen, und erinnerte daran, dass er als Schüler schließlich auch in der Pause „Plattdeutsch“ reden durfte.

Der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung, Ludwig Eckinger, nannte die Deutschpflicht eine „bizarre Integrationsmaßnahme“. Anstatt Derartiges zu fördern, solle der Senat darauf achten, Kindergärten und Schulen zu unterstützen. Es ist „mehr als sträflich“, die Einstellung notwendigen Personals für die Sprachförderung zu umgehen, indem dafür Ein-Euro-Jobs vorgesehen würden, wie in Berlin geschehen. Die Politik dürfe sich nicht „hinter Notwehraktionen an Schulen verstecken“.

Die Deutschpflicht an der Herbert-Hoover-Realschule war durch Berichte in der türkischen Zeitung „Hürriyet“ und dem Tagesspiegel erst vor einer Woche bekannt geworden, existiert aber schon seit einem Jahr. Damals hatte sich die Schulkonferenz darauf geeinigt. Inzwischen kam heraus, dass die Kreuzberger Borsig-Realschule eine ähnliche Hausordnung hat.

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