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Diakonie: Trotz Krise Ostern feiern

Die Mitarbeiter der Sozialberatung erleben täglich, wie die Wirtschaftskrise Hoffnungen zerstört. Aber viele Probleme lassen sich lösen, wenn alle mithelfen.

Jeden kann sie treffen: die Krise. Im überfüllten Wartezimmer der Allgemeinen Sozialberatung Spandau ist sie spürbar, die Berliner Finanznot, die hohe Arbeitslosenquote und nun noch die globale Finanzkrise. Auch Selbstständige und Hausbesitzer sitzen inzwischen hier, Menschen, die nie gedacht hätten, je eine Beratungsstelle der Diakonie aufsuchen zu müssen.

Hier der hoch qualifizierte Familienvater, der seine Arbeit verloren hat und mit 44 Jahren fürchtet, in seinem Beruf nie wieder bezahlte Arbeit zu finden. Da die alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern. Es war schwer hierherzukommen, da sie mit ihrer Multiplen Sklerose nicht immer gut laufen kann. Die Tochter ist in Sucht- und Cliquenstrukturen abgedriftet, ihr Fehlverhalten hat regelmäßig zu Sanktionen geführt, erst wurde die Regelleistung für die Tochter gestrichen, nun mehrfach deren Mietanteil. Die Miete aber muss die Mutter bezahlen. Jetzt drohen der Verlust der Wohnung und die Stromunterbrechung für die dreiköpfige Familie. Soll sie ihre Tochter vor die Tür setzen? Sicher würde diese untergehen und auf der Straße landen, fürchtet die Mutter. Dabei hat sie schon genug Schlimmes erlebt. Da kommt der Jugendliche, der wegen ständiger Konflikte von zu Hause weg will. Sein Vater hält ihn für einen Versager. Auch eine Mutter sucht Rat, weil sie ihren 13-jährigen Sohn nicht mit 63,33 Euro im Monat ernähren kann. So viel ist für Essen und Trinken in dem Geld enthalten, das sie vom Amt für ihn überwiesen bekommt, wenn man, wie vorgesehen, Rücklagen unter anderem für Bekleidung bildet.

In den Lebensgeschichten spiegeln sich viele Hoffnungen, die zerbrochen sind. In Spandau sind viele Arbeitsplätze für Geringqualifizierte weggefallen. Wer keine gute Schulbildung hat, findet kaum Arbeit und wenn, dann reichen die geringen Löhne nicht mehr, um davon zu leben. Immer mehr Viertel in Spandau belegen im Sozialstrukturatlas hintere Plätze. Die Perspektivlosigkeit von Jugendlichen trifft man auf der Straße. Der Alkoholkonsum ist sichtbar geworden.

Ostern erinnert auch an eine Krise. An die Krise, in die Jesus mit 32 Jahren geraten ist. Seine Lebenskrise begann im Garten Gethsemane, weil ihn die Mehrheit seines Umfeldes ablehnte. Er war verzweifelt, hatte Angst, seine Freunde ließen ihn alleine. Jesu Krise steigerte sich aber noch. Am Kreuz erlebte er Verlassenheit, den Spott anderer, extreme Schmerzen, Sterben.

Viele Spandauer, die in meine Beratung kommen, fragen sich, warum trifft es gerade mich, meine Familie, meine Freunde? Die Krise Jesu kann vielleicht Antwort werden. Er war bereit, für die Not, die Schuld, das Leid aller Menschen zu sterben. Er litt selbst und versteht uns deshalb. Das Kreuz ist nicht Zeichen für die Krise, es ist Zeichen für die Solidarität Gottes mit den Armen und den Krisengeschüttelten, es ist Ausdruck der Liebe Gottes. Die ausgebreiteten Hände Jesu am Kreuz laden ein: Komm her zu mir. Die Auferstehung Jesu am Ostersonntag bedeutet auch, wenn Gott die Kraft hat, einen Jesus von den Toten aufzuerwecken, dann kann er auch mir helfen. Als Jesus in die Krise geriet, betete er. Er machte die Erfahrung: beten hilft. Es gibt Hoffnung.

Ich glaube, dass das für jeden gilt. In der Beratungsstelle erlebe ich es ja auch täglich: Es gibt Lösungen für Probleme. Ich spreche natürlich mit den Menschen, die zu mir kommen, nicht als Erstes über den Glauben. In Spandau würde das viele Menschen befremden. Nur noch wenige können hier etwas mit der christlichen Botschaft anfangen. Ich zeige ihnen als Sozialarbeiter, wie sie sich konkret selbst helfen können. Wie die Höhe der ihnen zustehenden Unterstützung berechnet wird, wie sie ihre Ansprüche gegenüber den Behörden durchsetzen. Dazwischen sprechen wir über die persönliche Situation. Sind Freunde da? Gibt es weitere Unterstützung? Oft erlebe auch ich die Ohnmacht gegenüber Behörden, die viele Ratsuchende spüren.

Versuchen Sie einmal innerhalb von wenigen Tagen, trotz Ablehnung des Jobcenters zu verhindern, dass der Strom abgestellt wird. Da spürt man, hier braucht es zum Gelingen Gottes kräftiges Eingreifen. Und es geschieht, weil andere helfen.

Ich rechne damit, dass Gott mehr Möglichkeiten hat, als mir als Sozialarbeiter zur Verfügung stehen, und dass er mir und meinen Kolleginnen kreative Ideen eingibt. Dieser Gedanke entspannt und ermutigt zugleich, auch wenn die Vielzahl der Ratsuchenden und die Komplexität der Probleme mich oft an die eigenen Belastungsgrenzen führen. Aber wenn Gott keinen Menschen aufgibt, dann möchte ich dies auch nicht tun. Und so entsteht Hoffnung auch dadurch, dass Gott durch uns Menschen handelt, wenn wir uns für die Not des Mitmenschen und für Veränderungen in unserer Gesellschaft einsetzen. Deshalb: Trotz Krisen gibt es Grund, Ostern zu feiern.

Jürgen Kroggel

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