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Berlin: Dickes Ende

„Bulette“, Liebling der Zoo-Besucher und ältestes Flusspferd Europas, musste eingeschläfert werden

Im Zoo herrscht zum Jahresanfang Trauer – Flusspferdkuh „Bulette“ musste am letzten Tag des Jahres mit einer Spritze in die ewigen Jagdgründe geschickt werden. „Wir mussten sie einfach erlösen“, sagte gestern Zootierarzt Andreas Ochs, „ein Weiterleben wäre nur noch Quälerei für sie gewesen.“ Die letzten anderthalb Wochen konnte sich das mit 53 Jahren älteste Flusspferd Europas schon kaum noch erheben, geschweige denn ins Wasser schleppen. Durch vieles Liegen bekamen Füße und Beine entzündete Stellen.

Am Silvestertag lag das Tier dann vollkommen apathisch darnieder – alle Behandlungsversuche schlugen nicht mehr an. So entschloss sich der Zoo, dem gewichtigen Liebling der Berliner – in ihren besten Flusspferdzeiten wog „Bulette“ rund 3000 Kilo – die letzte Gnade zu erweisen. Verdient hat sich die im April 1952 in Berlin geborene „Bulette“ diese Fürsorgeleistung dabei mehr als genug – mehr als zwanzig Flusspferde brachte sie zur Welt und sicherte damit jahrzehntelang den europäischen Zoobestand.

Ihr Liebesleben war dabei ziemlich turbulent – Nachwuchs zeugte sie auch mit ihrem eigenen Vater „Knautschke“. Der ging 1988 mit 46 Jahren selbst als eine Zoo-Legende in den Flusspferdhimmel ein – galt „Knautschke“ doch als Überlebenssymbol der Stadt. Nach einem Bombardement in den letzten Kriegszuckungen gehörte er zu den 91 Zoo-Tieren, die überlebten. Den damals noch kleinen Bullen hatte man im ausgelaufenen Flusspferdbecken gefunden und ihm das Leben gerettet, indem er ständig mit Wasser übergossen wurde. „Knautschke“ selbst musste übrigens auch eingeschläfert werden – bei einem Rivalenkampf mit Sohn „Nante“ war er lebensgefährlich verletzt worden. Dieser wiederum gehört zu den lebhaften Ergebnissen der innigen Vater-Tochter-Beziehung zwischen „Knautschke“ und „Bulette“, die später auch Sohn „Nante“ nicht zurückwies. Das Ergebnis „Polly“ konnte sich sehen lassen. Auch die immer bereite „Bulette“ hätte mit ihrer Nachwuchsproduktion wahrscheinlich bis zuletzt nicht aufgehört, hätte man ihr nicht vergangenes Jahr die Pille verabreicht, als sie zu offensichtlich nichts gegen die Annäherung des Bullen „Ede“ hatte. Mit der schrippengroßen Pille wollte man dem Tier die Mühsal einer weiteren Trächtigkeit in einem dafür ganz und gar unüblichen Flusspferdalter ersparen.

In freier Natur schaffen die Tiere gerade mal so um die 30 Lebensjahre, in der Hege und Pflege eines Zoos bringen sie es zu 40 und mehr Jahren. „Bulettes“ biblische 53 Jahre aber schlugen alle Rekorde. Ein Wiedersehen mit ihr – als Dermoplastik wie der Gorilla „Bobbi“ oder der 2000 gestorbene kleine Elefant „Kiri“ im Naturkundemuseum – wird es trotzdem nicht geben. In der Sektion der Veterinär-Pathologie der Freien Universität wird „Bulette“ gerade ein letztes Mal untersucht. Außer altersbedingten Verschleißerscheinungen wird sich dabei nichts Gravierendes ergeben, vermutete gestern ihr Zootierarzt. Über „Bulettes“ massige Reste ist Schweigen gebreitet – in der Tierkörperbeseitigungsanstalt. Vielleicht wird aber ihr Schädel oder ein Oberschenkel der Nachwelt aufbewahrt – für Forschungszwecke im Archiv der Universität. hema

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