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Berlin: Die 300 Seiten des Klaus Wowereit

Der Regierende Bürgermeister wird im Herbst seine Biografie veröffentlichen

Unsere Überdrüber-Prominenten haben viele wichtige Entscheidungen zu treffen. Eine davon heißt: Wann veröffentliche ich meine Memoiren? Die klassische, von Persönlichkeiten wie Konrad Adenauer, Willy Brandt oder Boris Becker präferierte Lösung lautet: Nach dem endgültigen Ende der beruflichen Karriere, wenn halt Zeit zum Schreiben und Diktieren ist.

Dieser puristische Stil ist aber nicht jedermanns Sache, das fiel spätestens 1987 auf, als Erich Honecker in England das Buch „Aus meinem Leben“ veröffentlichen ließ – da saß er noch unangefochten dem SED-Politbüro vor. Und manch Prominenter berechnet wohl einfach seinen aktuellen Marktwert und sagt sich, dass die Biographie raus muss, bevor es zu spät fürs Geldverdienen ist – so kamen beispielsweise die Erinnerungen von Dieter Bohlen über uns.

Preisfrage: Wie passt die Ankündigung ins Bild, dass Klaus Wowereit derzeit an seiner Biographie arbeitet? Unbemerkt von der Öffentlichkeit, die ihn offenbar irrtümlich mit Regieren und Repräsentieren ausgelastet wähnt, sitzt er zusammen mit dem Journalisten Hajo Schumacher seit einem halben Jahr an einem Buch über sein Leben. Dies bestätigte jetzt der Münchener Blessing-Verlag („Bücher für neugierige Leser“). Das Werk wird 300 Seiten haben und am 22.September erscheinen.

Nun sieht es gegenwärtig nicht so aus, als habe Wowereit bereits das Ende seiner politischen Karriere ins Auge gefasst. Der aktuelle Marktwert seiner Erinnerungen indessen dürfte hoch sein, zumal er sein Privatleben bislang abgeschirmt hält und insofern eine beträchtliche Neugierlücke füllen könnte. Doch was hat er wirklich erlebt? Mehr und Interessanteres als Boris Becker („Aufschlag. Zehntausendmal geübt. Er sitzt.“) zweifellos, wenn- gleich seine Jugendzeit in Lichtenrade, die Jahre als Stadtrat in Tempelhof und die Arbeit als knallharter Etatkontrolleur im Parlament nicht gerade auf einen echten Page-Turner hindeuten.

Aber das mag angesichts des schmalen Buchumfangs angehen. Jene Ereignisse, die Wowereit zum Knut der Metropolenpolitik machten, kamen später, das Outing, der Crash der SPD–CDU-Koalition, das Abbusserln von Desiree Nick. Falls wir die Vorab-Informationen richtig interpretieren, geht es ihm in seiner Biographie gerade darum, jene Missverständnisse geradezurücken, die sich aus diesem ungewöhnlichen Lebenslauf ergeben haben. „Ich bin“, so wird er zweifellos darlegen, „kein Regierender Partymeister, sondern arbeite hart zum Wohl der Stadt. Dazu gehören, in Maßen genossen, auch fröhliche Feste, wenngleich ich zugeben muss, dass ich das eine oder andere Mal vielleicht lieber etwas diskreter aufgetreten wäre.“ Ein fehlbarer Mensch mit großer Verantwortung!

Bei der Gelegenheit: Wie wird Eberhard Diepgen reagieren? Von ihm liegt uns derzeit nur ein schmaler Band mit den gesammelten Reden zum Spargelessen des Berliner Journalistenverbandes vor, das äußerste Gegenteil einer Biographie. Möglicherweise gibt sich Diepgen nicht länger so verstockt, wenn er sieht, dass das Biografieren an sich leicht ist und nicht weh tut.

Eine andere nahe liegende Frage wäre diese: Mit welchem genialen Titel wird der Verlag der Verlockung ausweichen, das Buch „Und das ist auch gut so!“ zu nennen? Die Antwort: Er weicht nicht aus. Es wird tatsächlich so heißen.

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