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Berlin: Die älteste Marktfrau hat keine Zeit für die Rente Ursula Andrea verkauft

seit 50 Jahren Würstchen in Steglitz

Es gibt sicher allerlei unterschiedliche Ansätze, wie man seinen achtzigsten Geburtstag feiern kann. Der von Ursula Andrea zählt am heutigen Donnerstag zu den ungewöhnlicheren. Wie an fast jedem Tag in der Woche steht sie um halb zwei Uhr nachts auf. Und wenn sie dann ihre Tochter Ingrid geweckt hat, bestücken die beiden Damen den gemeinsamen Imbisswagen. Geburtstag hin oder her, ihre Würstchen und Buletten verkauft Frau Andrea seit nunmehr exakt 50 Jahren auf Marktplätzen in Steglitz. Das verpflichtet, und Unpünktlichkeit könnte sich das Zwei-Frauen Unternehmen gar nicht leisten. „Ich habe in diesen Jahren nicht einmal verschlafen. Dann wäre der Tag für uns auch gelaufen, wir kämen mit dem Wagen nicht mehr auf den Platz“, sagt die Chefin resolut.

Das wäre nicht nur für die Einnahmen schlecht. „Der Wagen ist für meine Mutter wie eine Bühne“, weiß Tochter Ingrid. Und die Kameradschaft der Marktgemeinschaft geht Berlins ältester Imbissbudenbesitzerin über alles: „Wir sind ja aufeinander angewiesen. Das fängt bei Regen und Schnee an, und geht weiter beim Aushelfen mit Wechselgeld“. Nicht zu vergessen: der Plausch mit der Kundschaft. Ihren Mann hat Frau Andrea deshalb vorsorglich immer zu Hause gelassen. „Die Kunden machen schon mal einen Witz, und dann hätte es am Ende bloß Missverständnisse gegeben“. Trubel gab’s auch so genug. Alleine die ständig wechselnde Konkurrenz: Erst die Italien-Urlauber, die plötzlich Pizza wollten. Dann die Hendl-Offensive aus dem Wienerwald, Mc Donalds und Döner Kebab. Trotzdem ist Frau Andrea um die Stammkundschaft von Morgen nicht bange. So hat sie beobachtet, wie bereits Kleinkinder quengelnd in ihre Richtung zeigen. Und dann fällt Ursula Andrea noch ein, dass sie an einem Punkt ihres Lebens wohl doch nicht rechtzeitig aufgewacht ist: Einmal näherte sich ein Kunde mit seinen Kindern ihrer Bulettenbude. Denen erzählt er, dass er hier schon als kleiner Junge Würstchen gegessen hat. Als er Ursula Andrea erblickt, guckt er ungläubig: „Nanu, Frau Andrea, sie sind noch hier? Haben Sie Ihre Rente verschlafen?“

Frank Thadeusz

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