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Berlin: Die Ära Hertie geht langsam zu Ende

Am Sonnabend schloss das Warenhaus am Walther-Schreiber-Platz für immer. Jetzt gibt es nur noch eine Filiale in der Stadt

Wenigstens der Propagandist hat gut zu tun. „Das muss man gesehen haben, Endspurt im Hause Hertie.“ Tapfer spult er seine Verkaufsanimation herunter. Dabei hätten die zuletzt noch 95 Mitarbeiter des Warenhauses am Walther-Schreiber-Platz und viele Kunden das lieber nicht gesehen: Billiguhren, Socken für einen Euro, Plastikblumen zum Dumpingpreis – und im Hintergrund schon gähnend leere Hallen. Ausverkauf bei Hertie: Am Sonnabend, 16 Uhr, wurde das Kaufhaus für immer zugeschlossen.

Mit dem Ende des zweitletzten Hauses mit diesem Namen neigt sich die Ära Hertie in Berlin dem Ende zu. Jetzt gibt es nur noch ein einziges Hertie-Kaufhaus: das an der Karl-Marx-Straße in Neukölln. Denn nach der Übernahme durch den Karstadt- Quelle-Konzern hatte das Kartellamt die Schließung von Häusern verordnet. 1998 gab es hier noch sieben Hertie-Kaufhäuser, ein Jahr darauf waren es nur noch vier. Und jetzt kam auch infolge der Konsumflaute das Aus für das Haus in Friedenau.

Das erste von der jüdischen Unternehmerfamilie Tietz begründete Kaufhaus in Berlin wurde 1906 an der Wilmersdorfer Straße eröffnet. In der Nazizeit wurde das Unternehmen zwangsarisiert, der Name „Hertie“ (nach dem Firmengründer Hermann Tietz) entstand. Nach dem Krieg waren noch drei von zehn Häusern erhalten. Das Warenhaus in Friedenau gab es seit 1953, bis zur Übernahme durch Hertie 1973 hieß es Kaufhaus Held. „Wir danken unseren Kunden, die uns in den vergangenen fünf Jahrzehnten die Treue gehalten haben“, stand nun gestern auf Schildern zu lesen. Längst nicht alle Verkäuferinnen sind in anderen Konzernhäusern untergekommen. Auch eine 30-jährige Mitarbeiterin klagt: „In Boutiquen heißt es, ich sei zu alt und überqualifiziert.“ Wie es mit dem Areal weitergeht, ist noch unklar. Wie berichtet, gehört das Gebäude der AMB Generali Immobilien aus Aachen. Nach Angaben des Bezirks soll es einen Bebauungsplan mit einer Mischnutzung aus Handel und Dienstleistung geben.

Annette Kögel

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