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Berlin: Die andere Art des Home-Shoppings

Jaqueline Huste ist nun Boutique-Besitzerin. Eine ziemlich stolze sogar.

Jaqueline Huste ist nun Boutique-Besitzerin. Eine ziemlich stolze sogar. Wobei Geschäfte, die sich Boutique nennen, in letzter Zeit ja ein bisschen in Verruf geraten sind – klingt ein wenig verstaubt, ein wenig nach Restposten in komischen Farben und Übergrößen. Also höchste Zeit, dass jemand etwas zur Rehabilitierung der Boutique unternimmt. „Denn eigentlich ist das ja ein Ort, an dem schöne Kleidung verkauft wird, die der Boutiquenbesitzer exklusiv zusammengestellt hat“, sagt die Modedesignerin. Sie könnte genau die richtige für dieses Vorhaben sein, denn bei ihr geht es sehr exklusiv zu: Ihre Boutique liegt im ersten Stock eines Wohnhauses in der Max-Beer-Straße in Mitte. Auf dem Klingelschild steht neben dem Namen Huste noch Wolfen. Das ist ihre Heimatstadt in Sachsen-Anhalt, und so heißt auch ihr eigenes Label.

Das Treppenhaus ist vor sehr langer Zeit hell-türkis gestrichen worden – jetzt bröckelt die Farbe von den Wänden. Im ersten Stock steht die Tür schon einen Spalt auf, beim Betreten des langen Flurs denkt man kurz darüber nach, ob man die Schuhe ausziehen sollte. Wenn der Kunde Glück hat, sitzt Jaqueline Huste gerade in einem der schmalen Sessel und näht per Hand einen Hosensaum um.

Ein wenig unwirklich wirkt das, als hätte sich jemand eine Kulisse für ein Theaterstück über eine Kleidermacherin ausgedacht. In dem großen Stuck verzierten Raum mit gebohnertem Würfelparkett steht eine alte Ladenvitrine mit vielen Schubladen, ein großer Tisch auf dem Schnittteile und Handwerkszeug wie Stecknadeln, Maßband und Schere liegen. Und in einem langen Regal stapeln sich Wollpullover und -mäntel, darunter, an einer Stange, hängen Blusen, Jacken, Röcke und T-Shirts in Farben, die man lange nicht an Kleidungsstücken gesehen hat, die einem aber sehr vertraut vorkommen. Ein verwaschenes Altrosa, ein dunkles Flaschengrün, ein sattes Senfgelb – Farben wie aus einem Super-Acht- Film. Die gelernte Architektin, die vor zehn Jahren nach Berlin kam, um im Architekturbüro Gerkan Marg und Partner zu arbeiten, findet Farben extrem wichtig – die meisten Stoffe färbt sie selbst.

Dass sie Kleidung entwerfen wollte, stellte sie bei einem längeren Aufenthalt in New York eher zufällig fest. „Ich habe mich dabei ertappt, dass ich immer wieder in Stoffläden einen Meter Stoff gekauft habe.“ Zurück in Berlin, wählte sie die Telefonnummer eines Berliner Designers, die in einem ihrer Lieblingskleidungsstücke stand und fragte nach einem Praktikumsplatz. Seit drei Jahren entwirft sie nun unter dem Namen Wolfen ihre eigene Kollektion. Und dass sie immer noch Architektin ist, jetzt eine, die Behausungen für den Körper herstellt, sieht man den Kleidungsstücken an. Da gibt es keine flatternden Volants, keine Rüschen, nicht Verrutschtes, jedes einzelne Stück ist ernst gemeint. Ein Oberteil aus Wolljersey hat einen angeschnitten Kragen, vorne ist an der Brustpartie der Stoff wie ein Mosaik mit verschiedenen Fadenläufen eingenäht, das sieht elegant und aufwändig aus, ist aber einfach zu tragen. Genau fünf Stück gibt es davon – Jaqueline Huste hat die Pullover extra für die Boutique anfertigen lassen. „Ich erfinde nichts Neues - ein Rock ist halt ein Rock“, sagt sie. Die Wollwaren lässt sie in Wolfen von Rentnerinnen stricken – ihre „Ersatzomas“ brauchen eine Woche für eine Jacke aus dicker melierter Shetlandwolle mit Zopfmuster. Eine gute Zeitspanne für die Entstehung eines solchen Kleidungsstücks, findet die Designerin.

Überhaupt sei das in der Mode ja so eine Sache mit der Zeit. Die Schnelllebigkeit, der Zwang, zweimal im Jahr etwas völlig Neues zu präsentieren, behagt der 37-Jährigen nicht wirklich. In ihren eigenen Räumen, mit Blick auf die Modegeschäfte in der benachbarten Münzstraße, kann sie jetzt ihre eigene Zeitrechnung etablieren. „Bei mir wird es immer Kleidung geben, die man gerade in Berlin braucht.“ Sollte es also im nächsten Winter plötzlich eine Hitzewelle geben – bei Wolfen werden die passenden Baumwollkleider hängen.

Wolfen, Max-Beer-Straße 6, 1. Stock, Mitte. Geöffnet Mittwoch bis Samstag von 14 bis 20 Uhr.

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