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Berlin: Die Angst fährt mit

Die Angst unter den Berliner Busfahrern wächst. Erst wurden sie nur beleidigt, schließlich geschlagen, und jetzt wird sogar auf sie geschossen.

Die Angst unter den Berliner Busfahrern wächst. Erst wurden sie nur beleidigt, schließlich geschlagen, und jetzt wird sogar auf sie geschossen. „Die Hemmschwelle unter den Fahrgästen ist gesunken, die Aggressivität deutlich gestiegen“, sagt Uwe Rüdinger. Der 37-Jährige ist selbst Opfer eines brutalen Angriffs geworden, an dessen Folgen er noch heute leidet.

Am Silvestervormittag 2001 – also vor einem guten halben Jahr – wurde er von einem betrunkenen Fahrgast niedergeschlagen und schwer verletzt. Der Mann weigerte sich an der Endhaltestelle zunächst, den Wagen zu verlassen. Nach mehrfacher Aufforderung durch Rüdinger kam der letzte Fahrgast nach vorn und schlug dem Fahrer wortlos die Faust ins Gesicht. Die Folgen: ein schmerzhafter und langwieriger Bruch des Augenbogens, zwei Operationen, Prellungen, eine kaputte Brille – und Angst: „Ich kann heute noch nicht allein in einen Bus und auf den Fahrersitz.“

Seit Freitagnacht die ersten Schüsse auf BVGBusse abgefeuert wurden, sind die Fahrer noch verunsicherter – vor allem, weil die Taten in der Nacht und aus dem Hinterhalt erfolgten. Rüdinger gehört nicht zu den Fahrern, die in einem der insgesamt 25 beschossenen Bussen saßen. Aber als er noch aktiv war, wurde auf einen seiner Doppeldecker ein Stein geworfen. Er erinnert sich, dass es einen dumpfen Aufprall gab. „Ich dachte erst, ich sei gegen einen Baum gefahren.“ An der Endhaltestelle, als er den Bus nach verlorenen und vergessenen Gegenständen absuchte, entdeckte er schließlich das Loch in einer Seitenscheibe des Oberdecks. Was ihn heute noch wundert ist, dass keiner der Fahrgäste vom Oberdeck ihm gegenüber ein Wort darüber verlor.

Die BVG ist inzwischen dazu übergegangen, ihre 3500 Busfahrer zu schulen. „Krisen- und Konfliktmanagement“ nennt sich das unter anderem, womit die Fahrer lernen sollen, die Situationen ihres Arbeitsalltags zu erkennen, einzuschätzen und brenzlige Situationen möglichst schon im Ansatz zu entschärfen. Da mag das Rollenspiel die Fahrer zwar auf den Umgang mit gewalttätigen Fahrgästen vorbereiten, nicht aber auf Heckenschützen.

Fahrer auf den Nachtlinien schicken häufig vor Dienstbeginn ein Stoßgebet in den Himmel. Denn die Routen durch Kreuzberg, Gesundbrunnen und alle, die besonders am Wochenende an viel besuchten Diskotheken vorbeiführen, sind gefürchtet. Meist gehe es gut, sagt der Leiter des BVG-Ausbildungszentrums, Hans Schimmelpfennig. Aber das muss nicht sein. Andererseits rechnet er die Übergriffe auf Busfahrer im Promillebereich: „Wenn bei einer Million Fahrgästen täglich ein Fahrer angegriffen wird, dann liegt das im unteren Promillebereich. Und es wird nicht täglich einer angegriffen.“

Aber die BVGler müssen lernen, in konfliktträchtigen Situationen richtig zu handeln und ihren Ermessensspielraum auszuloten. Nicht immer ist es hilfreich, darauf zu bestehen, dass die Fahrgäste die Regeln und Vorschriften 100-prozentig einhalten. Beispielsweise das Gebot, nach 20 Uhr nur beim Fahrer einzusteigen und nicht mehr durch die Mitteltür. Ist aber ein Fahrgast im Bus, der nicht zu besänftigen ist, dann sollte der Fahrer nicht selbst eingreifen, sondern frühzeitig Alarm auslösen und die Leitstelle informieren. Oberstes Motto ist: „Bring dich nicht in Gefahr“, sagt Schimmelpfennig.weso

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