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Berlin: Die Auferstehung singen

Die orthodoxe Nikolaus-Gemeinde zu Gast in der Johannesbasilika

Ollämpchen brennen, es riecht nach Weihrauch, und vor dem Altar stehen vergoldete Bilder. In der orthodoxen Liturgie wird jedes Wort gesungen. Sie ist so eine Art Oper unter den Gottesdiensten. Die Priester tragen prächtige Gewänder und bieten alles auf, was die Sinne betört. Denn die Mysterien des Glaubens sollen nicht nur über den Verstand aufgenommen, sondern gefühlt und geschaut werden. Und nach orthodoxer Auffassung steht die Poesie der Wahrheit näher als die Prosa.

Für die griechischkatholische Nikolaus-Gemeinde ist es in den vergangenen Jahren allerdings immer schwieriger geworden, einen poetischen Zauber zu entfalten. 2001 wurde sie von Kardinal Georg Sterzinsky aus Geldmangel aufgelöst. Seitdem zelebrieren die 500 Gläubigen, darunter viele Griechen, Rumänen, Araber und Slowaken, einmal im Monat ihren orthodoxen Gottesdienst in einer der anderen katholischen Kirchen. Öfter kann Pfarrer Klaus Metsch nicht kommen. Er betreut die Berliner von Leipzig aus mit.

Am Sonntag war die Nikolaus-Gemeinde zu Gast in der Johannesbasilika in Kreuzberg und feierte das Osterfest nach. Vor dem Altar hatte die Gemeinde mit zwei Stellwänden eine Ikonenwand mit einer kleinen Tür aufgebaut. Sie trennt in den orthodoxen Kirchen in Anlehnung an den Tempel in Jerusalem die Gemeinde vom Allerheiligsten. Der gesamte Gottesdienst rankte sich am Sonntag um die Osterbotschaft „Christus ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden.“ Dieser Satz wurde immer wieder gebetet und in vielen verschiedenen Variationen gesungen: inWechselgesängen zwischen Priestern und Gemeinde, in Lobpreisungen und Hymnen. Selbst die Lesung aus dem Johannesevangelium wurde gesungen. Eine Predigt im eigentlichen Sinne gab es nicht. Der orthodoxe Ritus unterscheidet sich auch dadurch vom römisch-katholischen, dass mehr symbolische Handlungen vorgenommen werden, zum Beispiel Prozessionen durch den Kirchenraum. Am Sonntag zogen die Ministranten und die Priester – neben Pfarrer Metsch zelebrierten ein Diakon, der katholische Pfarrer von St. Johannes und ein tschechischer Pfarrer mit – mit dem hoch erhobenen Evangelium durch die Kirche, später mit den Gaben für die heilige Kommunion.

Einen heimeligen Charme, wie ihn orthodoxe Kirchen oft verströmen, hatte der Gottesdienst nicht. Dazu ist die Basilika zu groß und trotz ihrer Ausmalungen zu nüchtern. Die Tournee durch andere Kirchen verstehen die Nikolausianer denn auch vor allem als „Betteltour“, um Geld und Aufmerksamkeit für die Erhaltung ihrer Kapelle in der Mittenwalder Straße zu sammeln. Gestern war der Klingelbeutel recht voll. clk

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