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Berlin: „Die Ausländer sollen sich einmischen“

Der neue Ausländerbeauftragte Günter Piening wünscht sich Migranten, die selbst aktiv werden

Herr Piening, was fordern Sie als künftiger Ausländerbeauftragter von den Berlinern ausländischer Herkunft?

Ich fordere von ihnen das Gleiche wie von anderen Berlinern auch: Dass sie sich in das Gemeinwesen einbringen und es mitgestalten. Ich wünsche mir aktive Berliner, egal, woher sie kommen. Das ist das Erste. Daneben müssen wir überlegen, ob und wo es Barrieren gibt, die eine Beteiligung verhindern. Die Beteiligung von Leuten mit Migrationshintergrund hat immer zwei Seiten: Es muss Chancengleichheit geschaffen werden, und andererseits sind die betreffenden Gruppen dann dafür verantwortlich, sich aktiv einzumischen. Was ich überhaupt nicht mag, heißt auf gut westfälisch ,Genöle‘ – also am Rand stehen und vor sich hin kritisieren.

Ihre Amtsvorgängerin Barbara John hat von den Ausländern mehr Integrationsleistungen gefordert. Der Innensenator hat die Debatte jüngst mit Blick auf ausländische jugendliche Gewalttäter erneut angestoßen und bei den Eltern mehr Integrationsbereitschaft angemahnt. Steht diese Forderung nicht im Vordergrund Ihrer Arbeit?

Ich habe die Debatte verfolgt. Der Tenor war aber doch nicht so einseitig. Für ungünstige gesellschaftliche Entwicklungen gibt es nicht nur einen Schuldigen. Wir haben – gerade bei Kindern und Jugendlichen – sehr viele unterschiedliche Ansprechpartner. Natürlich sind da die Eltern gefordert. Wie bei jedem anderen Jugendlichen auch. Aber es muss sich auch die Schule fragen, was sie gemacht hat, die Gesellschaft muss sich fragen. Ich wehre mich gegen die Zuspitzung der Debatte in eine Richtung. Es ist falsch und wir kommen damit auch nicht weiter. Ich verstehe meine Aufgabe so, die unterschiedlichen Interessen in einem Kommunikationsprozess zu moderieren.

Wollen Sie andere Schwerpunkte setzen als Frau John?

Ich kann die Arbeit von Frau John nicht bewerten. Auch unter uns Ausländerbeauftragten ist Barbara John sehr angesehen. Jeder Beauftragte hat aber seinen eigenen Stil und seine eigenen Schwerpunkte. Das macht auch den Reiz dieses Jobs aus. Natürlich aber hat etwa diese Koalition neue Schwerpunkte gesetzt. Das Thema Flucht und Umgang mit Asylbewerbern, die Auszahlung von Bargeld statt des Chipkartensystems – das alles sind keine Ideen von mir, sondern das ergibt sich aus Koalitionsvereinbarungen. Zum anderen, aber da sehe ich keinen Unterschied zu Frau John, steht bei mir der Punkt der Partizipation, der Teilnahme ganz weit vorne. In Berlin sind ja einige skeptisch, weil ich von außen komme. Das kann aber auch eine Chance sein. Ich bin sehr neugierig und bringe meine Unvoreingenommenheit mit.

Was wollen Sie nicht fortsetzen?

Warum sollte ich denn die Arbeit von Frau John nicht fortsetzen wollen? Das ist ja nicht nur die Arbeit von Frau John. Das ist die Arbeit des Senats. Etwa was Barbara John im Schulbereich gemacht hat. Ein weiteres Beispiel ist die zielgruppenspezifische Arbeit etwa mit Frauen. Hier wurden Pflöcke eingeschlagen. Sicherlich verschieben sich Akzente. Durch die politische Konstellation ist die Flüchtlingspolitik mehr in den Fokus gerückt. Durch meine Arbeit in den neuen Bundesländern bin ich natürlich sehr sensibel, was die Diskurse um Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit angeht. Da bin ich vielleicht ein bisschen hellhöriger.

Das Gespräch führte Barbara Junge.

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