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Joseph bei den Aufnahmen in Biesenthal.

© promo

Die Band Afar im Berghain: Der Sound verlassener Orte

Die Band Afar macht Musik gerne an Stätten, in denen der Putz bröckelt. Jetzt präsentiert das Duo ein neues Album in der Berghain Kantine.

Immer weiter den Pfeilen folgen, die auf dem Boden mit Kreide gemalt oder den Bäumen aufgesprayt sind. Über eine Autobahnbrücke, tief hinein in ein Waldgebiet bei Potsdam. Über einen plattgetretenen Zaun, dann andere Leute, ebenfalls auf der Suche. Immer weiter den Pfeilen folgen, etwa eine halbe Stunde. Plötzlich steht da ein Mann, er nimmt fünf Euro Eintritt. Independent-Kino an verlassenen Orten. Die Einladungen werden per E-Mails verschickt, wer einmal dort war, kann sich auf eine Liste eintragen.

Diesmal ist es auf dem Gelände einer ehemaligen Polizeikaserne. Wo genau soll geheim bleiben. Legal ist das alles nämlich nicht. Graffiti und Baumwuchs haben sich ausgebreitet. Die Organisatoren haben einen Beamer aufgestellt, eine Halle ausgeleuchtet, umgedrehte Plastikmülleimer dienen als Sitzplätze. Es ist quasi ausverkauft, rund 70 Besucherinnen und Besucher. Es gibt Freibier, Snacks, Wein. Vorab eine Lesung im Mondschein. Einer der Autoren liest Geschichten über eine Reise nach Russland, der andere Berliner Stadtgeschichten. Dann beginnt der Film, ein japanischer Kunststreifen, unbekannt und über Youtube, passend zur Umgebung: vergessen und für einen Abend zum Leben erweckt. Nach der Vorführung spielt eine Band: Afar. Langgezogener Bass, gekonnte Gitarre, eine tiefe Frauenstimme. Das war im Sommer. Nun ist ihr Album fertig.

Die Villa steht seit fast 20 Jahren leer

Das Duo produziert gerne Lieder an verlassenen Orten. Das neue Album haben die beiden zu großen Teilen in einer zugewachsenen Villa bei Biesenthal in Brandenburg aufgenommen. Fast drei Monate lang im Spätsommer haben Elena und Joseph vor dem Haus im Bulli übernachtet. Die Villa steht seit fast 20 Jahren leer, und seit rund 15 Jahren wurde das Gelände von einer Künstlergruppe gepachtet, deren Mitglieder dort teilweise leben. Hier hat sich die Natur das Menschengeschaffene zurückgeholt. Putz bröckelt von den Wänden, Pflanzen ranken am Fenster, Schmetterlinge fliegen im Treppenhaus und der See glitzert in Reflexionen an der Betonwand.

Banjo, Gitarre und Stuck.
Banjo, Gitarre und Stuck.

© promo

„Unseren Sound durch dieses Setting fliegen und davon prägen zu lassen, war schon etwas ganz Besonderes und entscheidend für die Entstehung des Albums“, sagt Joseph. „Der Kontrast zwischen dem Urbanen, Industriellen und dem Natürlichen, Organischen ist das Spannungsfeld unserer Musik.“ Sie verzichten bewusst aufs Digitale, haben keinen Laptop auf der Bühne. Sondern Synthesizer, Stimme, Drummachines, Sequenzer, E-Gitarren. Und Windspiele, oder Kalimba, ein afrikanisches Musikinstrument, das mit den Daumen gezupft wird. Einige Songs haben sie gezielt in der Dunkelheit mit offenen Fenstern aufgenommen, mit dem „subversiven Klang der Nacht“. Andere Lieder wurden an Regentagen eingespielt. Die Klänge der Natur fließen in die Musikaufnahmen ein.

Die Band bezeichnet sich als „analog live act“. Das Album haben sie selbst aufgenommen und abgemischt. Was erstmal etwas esoterisch klingt, hört sich im Endprodukt aber nicht unbedingt so an. Eine Mischung aus Musik von Jim-Jarmusch-Filmen und früheren Songs der Band „The XX“. Auch muss man an den experimentellen Komponisten John Cage denken, der Geräusche der Umgebung in die Aufnahmen einbezog.

Wenn man hinhört und es weiß, sind die verlassene Villa, der bröckelnde Putz und vielleicht sogar die Schmetterlinge im Treppenhaus wahrzunehmen. Entstanden ist aber auch ein Sound für die Stadt: aus den verlassenen Orten im Umland für die bestfrequentierten Orte Berlins. Am Mittwoch, 13. Februar, präsentiert Afar das Album um 19 Uhr in der Kantine der Panoramabar im Berghain. Ticketpreis: 13,81 Euro.

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