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Berlin: Die Basis pariert

Dass auf die Basis der PDS harte Zeiten zukommen, zeigte schon die Wortwahl der Parteichefs. Mehrfach sprachen sie von bitteren Pillen, von schmerzhaften Kompromissen und vom nötigen langen Atem.

Dass auf die Basis der PDS harte Zeiten zukommen, zeigte schon die Wortwahl der Parteichefs. Mehrfach sprachen sie von bitteren Pillen, von schmerzhaften Kompromissen und vom nötigen langen Atem. Und was tut die Basis? Statt rebellisch den Rückzug in die Opposition zu fordern, zeigten die rund 300 Parteiaktivisten aus Bezirken und Stadtteilgruppen am Dienstagabend bemerkenswert viel Verständnis für die Sachzwänge in Zeiten der Finanznot. Als Fraktionschef Wolf ankündigte, in allen Bereichen Einschnitte vorzunehmen, da gab es keinen hörbaren Widerspruch. Und als Gregor Gysi in den randvollen Saal der Pankower Bezirksverordnetenversammlung rief: "Wir müssen zusammen durch das Tal der Tränen gehen!" - da applaudierten die meisten Genossen sogar freundlich.

Die lauteste Kritik kam an diesem Abend von den Gegnern des Großflughafens Schönefeld. "Verräter", riefen sie und buhten, als Gysi den Saal betrat. Nachdem die Wortgefechte am Saalende abebbten, warben vorne auf dem Podium die Parteigranden um Zustimmung. Parteichef Stefan Liebich referierte im Schnelldurchlauf den Stand der rot-roten Koalitionsverhandlungen. Ja zu Mietobergrenzen und einem neuen Fusionsversuch mit Brandenburg, Nein zu Studiengebühren und Olympia - und auf ein Rosa-Luxemburg-Denkmal auf dem gleichnamigen Platz habe man sich auch geeinigt. Liebichs Fazit: "Gerechter, kompetenter und verantwortungsvoller als die Ampelverhandlungen." Zwischendurch streichelte er mit kleinen Seitenhieben gegen die SPD die Seelen der Genossen. "Wir lassen uns nicht treiben", sagte er. Die SPD will vor der Weihnachtspause mit allen Verhandlungsthemen fertig sein? "Sorgfalt geht vor Geschwindigkeit", konterte Liebich. Und das letzte Wort habe ja sowieso der Parteitag im Januar: "Die PDS will und kann mitregieren - aber müssen müssen wir nicht. Wir wollen nicht um jeden Preis an die Macht."

Gregor Gysi setzte die Mischung aus Streicheleinheiten und Bitten um Verständnis fort. Wer hätte im Dezember 1989 schon gedacht, das die von der SED zur PDS gewandelte Partei es einmal zur Regierungspartei in der Hauptstadt bringen würde? "Darauf können wir alle stolz sein." Applaus. "Aber viel zu verteilen haben wir nicht", dämpfte er die Erwartungen. "Linke werden ja immer dann gewählt, wenn kaum noch was da ist, damit die Ärmsten nicht ganz ins Elend gestoßen werden." Viel Ausdauer sei jetzt vonnöten, die Probleme seien nicht in einer Legislaturperiode zu lösen. Offenbar hat Gysi sich auf eine längerfristige Regierungsbeteiligung eingerichtet: "Erst wenn wir 2009 oder 2010 keine neuen Schulden mehr aufnehmen müssen, können wir langsam die Zinslast abbauen - und dann irgendwann unsere politischen Spielräume wieder erweitern." Nebenbei besänftigte er auch die murrenden Schönefeld-Gegner: "Unsere Kraft reicht einfach nicht aus, um Berlin, Brandenburg und auch den Bund gegen den Flughafen umzustimmen." Befürchtungen, eine PDS-Regierungsbeteiligung halte Unternehmer davon ab, ihr Geld in Berlin zu investieren, konterte Gysi mit einem seiner typischen Witze: "Wenn die Investoren hier so abgeschreckt sind wie durch die Regierung der Volksrepublik China, dann müssen wir uns keine Sorgen machen."

Nach den Partei-Oberen hatten die Zuhörer das Wort. Viele als "Fragen" angekündigte Wortmeldungen wuchsen sich jedoch zu quälend langen Monologen aus. Ein Gemisch aus Ermahnungen, es der SPD nicht zu leicht zu machen, und allgemeinen Grundsatzbetrachtungen. Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform der PDS prangerte die deutsche Kriegsbeteiligung an. Ferdi Breitbach von den Flughafengegnern wies auf die Mitschuld der SPD-Aufsichtsräte am Berliner-Bank-Desaster hin. Und ein Mann, der sich einführte als "Genosse, der voll im Leben steht", ermutigte die Parteiführung, die Basis auch künftig weiter über die Koalitionsgespräche auf dem Laufenden zu halten. Kritik an den konkreten Verhandlungsergebnissen blieb die Ausnahme. So freute sich Landeschef Stefan Liebich am Schluss über die "große Solidarität" und verabschiedete sich "bis zum 12. und 13. Januar" - zum Parteitag und zur Liebknecht-Luxemburg-Demonstration.

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