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Berlin: Die Berliner Grünen finden ihre Mitte

Nicht einmal die Parteilinke fürchtet die Konkurrenz eines Linksbündnisses. Am rot-grünen Kurs meldet sie nur kleine Korrekturen an

Von Sabine Beikler

Grünen-Außenminister Joschka Fischer hat seine Partei am Wochenende aufgerufen, einen Wahlkampf „in zwei Richtungen“ zu führen – gegen die Konservativen und Liberalen auf der einen Seite, und gegen ein neues Linksbündnis auf der anderen Seite. In welche Richtung aber treibt es die Grünen, nach links oder zur Mitte? Darüber wird auch im Berliner Landesverband viel diskutiert. Aber: Wirkliche Differenzen zwischen grünen Realos und Fundis im traditionell links ausgerichteten Landesverband gibt es nicht.

Ein programmatischer Neuanfang, wie ihn Fischer versteht, ist keine Kursänderung wie sie die Parteilinke will. Nach dem Münsteraner Appell vom vergangenen Wochenende hat sich jetzt auch die Berliner Grüne Linke positioniert: Am Wochenende haben 60 Grüne einen Aufruf verabschiedet, in dem sie eine kritische Bilanz von Rot-Grün, eine deutliche Abgrenzung zur SPD und „Fehlerkorrekturen“ fordern. „Wir wollen Hartz IV nicht abschaffen, aber Nachbesserungen“, sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Direktkandidat in Friedrichshain-Kreuzberg, Christian Ströbele.

Die Linke fordert in dem Aufruf, der dem Tagesspiegel vorliegt, zum Beispiel höhere Bezugssätze, eine verbesserte Alterssicherung oder die Aufhebung der Bedarfsgemeinschaften und der Anrechnung der Partnereinkommen bei Hartz IV. In der Arbeitsmarktpolitik will die Linke ein Investitionsprogramm für neue Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor und eine höhere Besteuerung von Vermögen, Erbschaften und Kapitalerträgen.

Einem möglichen Linksbündnis sehen die Grünen gelassen entgegen. Ströbele glaubt nicht an einen dauerhaften Erfolg der Allianz von Wahlalternative und PDS. „Mittelfristig wird das nicht funktionieren.“ Realpolitiker Wolfgang Wieland, der auf Platz zwei der Landesliste für den Bundestag kandidieren will, spricht von einer „Kopfgeburt von oben“, die man aber „trotz der Figuren Lafontaine und Gysi“ ernst nehmen sollte. Fraktionschefin Sibyll Klotz, die auf Platz drei in den Bundestag ziehen will, sieht beim Linksbündnis viele traditionelle Politikansätze in der Arbeitsmarktpolitik, „während die Grünen sich modern-links ausrichten“. Im Gegensatz zum Linksbündnis würde die Partei nicht nur ein reines „Weg mit!“ fordern, sondern Lösungen anbieten, betonen die Grünen-Landeschefs Almuth Tharan und Till Heyer-Stuffer.

Linke, Realos und die Grüne Jugend fordern unisono eine stärkere Besinnung auf grüne Themen wie Ökologie, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit. Und der Newcomer Marek Dutschke – jüngster Sohn des Studentenführers Rudi Dutschke – der sich auch auf Listenplatz zwei bewirbt und in Lichtenberg-Hohenschönhausen direkt kandidieren will, möchte generell das Vertrauen der Politikverdrossenen wiedergewinnen. Wie das? „Das soziale Gewissen hervorheben und sich nicht wie Fischer irgendwann von den normalen Durchschnittsbürgern abheben, die durchschnittlich 2000 Euro im Monat verdienen.“ Das wird Fischer nicht gern hören.

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