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Berlin: Die Berliner Schulen sind mit ihrem Latein am Ende

Lehrermangel gefährdet den Unterricht / Nachteile beim StudiumVON REGINA MÖNCH BERLIN.Das Fach Latein droht aus dem Angebot der Berliner Schulen fast vollständig zu verschwinden.

Lehrermangel gefährdet den Unterricht / Nachteile beim StudiumVON REGINA MÖNCH BERLIN.Das Fach Latein droht aus dem Angebot der Berliner Schulen fast vollständig zu verschwinden.Überall fehlen Lateinlehrer, neue dürfen nicht eingestellt werden.Im Durchschnitt haben Berlins Lateinlehrer die 50 längst überschritten, immer mehr gehen in Pension.Bildungsexperten machen eine falsche Personal- und Sparpolitik für die Situation verantwortlich.Wenn Berliner Gymnasiasten keine Möglichkeit mehr haben, Latein zu lernen, wären sie beim Studium benachteiligt. Lateinlehrer entscheiden sich zwar nur ganz selten für den Vorruhestand, aber der Schwund scheint unaufhaltbar.Verschont blieben wohl nur noch die grundständigen Gymnasien, heißt es in einem Schreiben des Philogenverbandes."Wir hätten schon längst junge Lateinlehrer einstellen müssen", sagt Clemens C.Wilke, zuständiger Abteilungsleiter im Landesschulamt (LSA).Es gibt im Prinzip genug Nachwuchs - allein zum vergangenen Schuljahr bewarben sich über hundert junge Lehrer für Latein beim LSA.Kein einziger konnte eingestellt werden: absoluter Stellenstop.Die absehbare Folge, so der Philologenverband, sei ein Imageverlust der Berliner Schule.Aber noch viel schwerer wiege, daß Berliner Abiturienten künftig bei der Studienwahl an Universitäten im Bundesgebiet "deutlich benachteiligt" wären.Lateinkenntnisse werden dort für viele Studien zumeist vorausgesetzt. Andreas Fritsch, Lateinprofessor an der FU, warnt seit langem vor dieser Entwicklung.Latein werde zu Unrecht unterschätzt."Es ist nicht nur wichtiger Teil unserer Kulturtradition, sondern auch das Fundament aller Sprachen Europas." Die negative Entwicklung würde besonders Schulen im Ostteil treffen.Nach langer Enthaltsamkeit - unter Margot Honecker galt Latein als unschicklich - verzeichnet man dort steigende Nachfrage.Die Philologen fordern nun vom Landesschulamt "eine klare öffentliche Stellungnahme".LSA-Chef Wilfried Seiring dementiert den Notstand nicht.Besonders eng werde es, sagt er, wenn der Krankenstand - durch Grippewellen etwa - in die Höhe schnellt.Schulen versuchten sich zwar zunehmend untereinander zu helfen, doch ist auch das begrenzt. Das LSA hat jetzt Vorschläge erarbeitet, um das Problem wenigstens zu lindern.So soll ein Lateinlehrer künftig an mehreren Schulen unterrichten.Außerdem will man Schulkooperationen fördern, sagt LSA-Abteilungsleiter Wilke.In Wilmersdorf wird versucht, die Lateinschüler benachbarter Gymnasien zusammenzufassen.Das LSA forstet seine Karteien durch, um Lehrer zu finden, die Latein unterrichten können, dies aber nur selten oder zur Zeit gar nicht tun.Ihr anderer Fachunterricht müßte jedoch von Kollegen übernommen werden können.Auch gibt es Bedenken der Personalräte.Lehrer über 55 oder solche mit Kindern dürfen nicht ohne weiteres versetzt werden. Fast täglich fragen Eltern aus Nordrhein-Westfalen oder aus dem Ausland, an welchen Schulen in Berlin was angeboten wird.Der Regierungsumzug rückt näher, und nicht nur Bonner Beamte planen den Wechsel, sondern auch Diplomaten und Verbände.Latein, sagt Wilke, werde sehr oft nachgefragt. Latein ist indes nicht das einzige "Mangelfach".Ähnliche Probleme, so die Schulverwaltung, könnten sich auch auf andere Fächer an Berliner Oberschulen ausweiten.

REGINA MÖNCH

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